Stellungnahme von Dr. Timm Gudehus zum Urteil des Landgerichts Leipzig (s. Anhang 1) zur Klage der Verbraucherzentrale Sachsen gegen die Sparkasse Vogtland wegen Einführung von Verwahrentgelt.
Das abweisende Urteil des Landgerichts Leipzig vom 8. Juli 2021 zum sog. Verwahrentgelt bezieht sich allein auf die Frage der vertragsrechtlichen Zulässigkeit einer einseitigen Änderung der Konditionen der Kontoführung durch Einführung eines grundlegend veränderten Gebührenmodells mit einer bisher unbekannten Bestandsgebühr zusätzlich zu den weiterhin erhobenen Transaktionsgebühren und Verwaltungsgrundgebühren. Damit aber gehen Klage und Urteil am Kern der Sache vorbei, nämlich an der falschen Begründung der Negativzinsen zunächst durch die Zentralbanken und später – sich darauf berufend – durch die Geschäftsbanken, Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken:
1. Die Begründung der Zentralbanken für ihre Negativzinsen, dass diese die Kontoinhaber, also die Geschäftsbanken u.s.w. veranlassen sollen, das auf ihren ZB-Konten angesammelte Zentralbankgeld an Nichtbanken “weiterzuverleihen” und dadurch “die Wirtschaft zu stimulieren”, ist falsch, da Zentralbankbuchgeld nicht an Nichtbanken ohne Zentralbankkonto ausgeliehen werden und daher die Realwirtschaft nicht erreichen kann.
2. Die Begründung der Geschäftsbanken, Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken für die als Verwahrentgelt o.ä. bezeichneten Negativzinsen ist falsch, da sie für die Girokontenguthaben nur eine Mindestreserve an Zentralbankgeld in Höhe von 1 % halten müssen, die außerdem von den Negativzinsen freigestellt ist. Sie “verwahren” auf den Girokonten ihrer Kunden kein gesetzliches Geld, sondern verwalten jederzeit auszahlbare Forderungen der Kontoinhaber an die kontoführende Bank. Die geringen Kosten einer solchen Verwaltung sind unabhängig von der Höhe des Kontostandes und durch die Grundgebühr für die Kontoverwaltung bereits angemessen abgegolten.
Die von den Banken an die ZB gezahlten Negativzinsen sind die Folge von Überschussreserven, die aus dem Weiterverkauf von staatlichen und anderen Anleihen an die ZB resultieren. Das aber hat mit der Kontoführung der Girokonten nichts zu tun. Das Verwahrentgelt ist also eine unzulässige Quersubventionierung des Anleihegeschäftes mit der ZB.
Diese nicht allgemein bekannten Zusammenhänge habe ich in mehreren Publikationen genauer beschrieben, insbesondere in dem ZfgK-Artikel “Falsche Begründungen von Negativzinsen” (s. Anhang 2).
Die Verbraucherzentrale Sachsen will jetzt u.a. mit diesen Argumenten in die Berufung gehen.
Weiterführende Informationen
Anbei finden Sie das Originalurteil sowie einen Beitrag von Timm Gudehus in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen.
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