Eine Rezension von Ulrich Busch zum Buch “Zeitenwende des Geldsystems. Vom Bankengeld zum digitalen Zentralbankgeld” von Joseph Huber ( Metropolis-Verlag, Marburg 2022, 228 Seiten, 29,80 Euro.)
Ursprünglich veröffentlicht in Z – Nr. 133 März 2023, S. 211-213
In der monetären Sphäre ist zuletzt einiges in Bewegung gekommen: So hat nicht nur das Bargeld seine einst überragende Stellung im Geldverkehr eingebüßt, sondern nunmehr auch das Giralgeld der Geschäftsbanken den Zenit seiner Bedeutung überschritten. Die Zukunft gehört ganz offensichtlich dem digitalen Geld und digitalen Formen des Zahlungsverkehrs. Ausdruck dessen ist die Diskussion um die Abschaffung des Bargeldes und die Einführung digitalen Zentralbankgeldes, die inzwischen nicht nur in engen Zirkeln besonders qualifizierter Fachleute geführt wird, sondern die mittlerweile über die verschiedensten Medien auch die breite Öffentlichkeit erreicht hat. Hier stößt sie jedoch nicht selten auf Verständnisbarrieren, Wissenslücken und Fehlurteile, die sich nur durch eine verstärkte ökonomische Bildung, wirtschaftspolitische Aufklärung und fachbezogene Information beheben lassen. Das vorliegende Buch des Hallenser Wirtschaftssoziologen und Protagonisten der Vollgeld-Initiative Joseph Huber dient diesem Anliegen, indem es die Erörterung geldwirtschaftlichen Grundwissens mit der Diskussion aktueller Entwicklungen auf monetärem Gebiet sowie mit Vorschlägen zur Geldreform und zur Modernisierung des Geldverkehrs verbindet. Er fasst seine Eindrücke über die sich gegenwärtig vollziehenden Umbrüche im Geldsystem unter dem Begriff „Zeitenwende“ zusammen. Hierin folgt er dem Zeitgeist. Ungeachtet der Tatsache, dass dieser Terminus momentan einem inflationären Gebrauch unterliegt, unterstreicht seine Verwendung, dass es sich beim digitalen Zentralbankgeld nicht etwa um eine bloße technische Verbesserung handelt, sondern um eine das gesamte Geldwesen revolutionierende Jahrhundertinnovation. Schon jetzt hat der bargeldlose Zahlungsverkehr das nach wie vor als „gesetzliches Zahlungsmittel“ geltende Bargeld „nachrangig“ (15) werden lassen. Ökonomisch systemrelevant ist es längst nicht mehr. Diese Rolle kommt heute dem „Bankengeld“ zu, das als Buch oder Giralgeld den Zahlungsverkehr dominiert. Es ist aber bereits abzusehen, dass das Bankengeld bald durch den Aufstieg technisch überlegener digitaler Geldarten, sog. Tokens, abgelöst werden wird. Tokens werden von der digitalen Geldbox des Zahlers direkt, also ohne Dazwischentreten von Banken, an die Geldbox des Empfängers transferiert. Sie funktionieren dabei also wie Bargeld, sind aber stückelbar wie Buchgeld. Zudem sind sie als digitales Geld programmierbar und damit den bisherigen Geldarten überlegen. Die Deutsche Bundesbank hat sich erstmals 2019 umfassend zur „Tokenisierung von digitalen Vermögenswerten“ geäußert und die aktuelle
Entwicklung im Euro-Raum diesbezüglich ausdrücklich begrüßt. Seitdem sind zahlreiche Fachpublikationen dazu erschienen, aber nur wenige Arbeiten, die einem größeren Kreis von Lesern zugänglich sind. Das vorliegende Buch ordnet sich hier ein. Die behandelte Problematik ist keineswegs nur aus finanztechnischer Perspektive von Interesse. Es geht hier auch um Geldpolitik, Wirtschafts- und Machtpolitik. Waren die zurückliegenden Jahrzehnte bis zur großen Finanzkrise 2008 von einer Zurückdrängung und Unterminierung der Macht der Zentralbanken und einer Zunahme der Macht der Geschäftsbanken und der Schattenbanken geprägt, so ist heute eine Rückkehr der Zentralbanken in ihre Machtpositionen zu beobachten. Mit dem Bedeutungsverlust des Bankengeldes geht der Verlust der Vormachtstellung der Geschäftsbanken einher. Ihre viel diskutierte Systemrelevanz steht damit auf dem Prüfstand und gehört vermutlich bald der Vergangenheit an. Die Rückgewinnung der Geldhoheit durch die Zentralbanken ist jedoch an die Ablösung des Bargeldes durch modernes, das heißt digitales Zentralbankgeld gebunden. Mit der Einführung von digitalem Zentralbankgeld und der damit einher gehenden Machtverschiebung zwischen den Institutionen verändert sich auch das Verhältnis der Zentralbanken zu den nicht-monetären Finanzinstitutionen: Geldpolitik beinhaltet schon heute viel mehr als nur die Refinanzierung der Geschäftsbanken, denn längst haben die Zentralbanken „eine faktische Zuständigkeit für das Wohl und Wehe des gesamten Finanzsektors mit übernommen“ (19). Dieser Aspekt wird in Zukunft weiter an Relevanz gewinnen. Der Aufbau des Buches bietet zunächst einen Überblick über die Funktionshierarchie des Geldes. Dabei unterschiedet der Autor drei Geldarten: erstens das Vollgeld der Zentralbanken, zweitens das aktive liquide sowie das inaktive Bankengeld der Geschäftsbanken und drittens die neuen Geldsurrogate (Geldmarktfonds, E-Geld und Stablecoins) als das „moderne Geld“ (201). Dies alles wird auf den folgenden Seiten ausführlich beschrieben und erklärt, was sich als zweckmäßig erweist, denn das Verstehen der sich gegenwärtig abzeichnenden und in nächster Zukunft vollziehenden Veränderungen im Geldsystem setzt das Verständnis des Funktionierens der augenblicklichen Geldordnung voraus. Im sechsten Kapitel schließlich beginnt der Autor dann mit der Darstellung seines eigentlichen Anliegens, der „monetären Zeitenwende“ (77). Aber auch diese hat selbstverständlich ihre Geschichte und ihre historischen Parallelen. Huber behandelt daher zunächst den Bedeutungsrückgang des Münzgeldes und den Aufstieg des unregulierten Papiergeldes (79ff.). Es folgen ein Abschnitt über den Aufstieg der nationalen Zentralbanknoten (83f.) und einer über den Niedergang des Bargeldes und den Aufstieg des Bankengeldes (85f.). Das Kapitel endet mit einer Skizze über den Aufstieg des digitalen Zentralbankgeldes (88f.). Dies alles sind natürlich keine Prozesse, die von heute auf morgen passieren, sondern gewaltige Veränderungen („Tidenwechsel“), die sich „über Jahre und Jahrzehnte erstrecken“ (89) werden. Der Autor lässt keinen Zweifel daran, dass die Zukunft des Geldes digital sein wird. Dies aber ist mit einschneidenden Konsequenzen für die Zusammensetzung des Geldangebots verbunden (Kapitel 7), mit einer veränderten Systemarchitektur und mit neuen Designprinzipien für die Währungen (Kapitel 8) sowie mit völlig neuen Bedingungen und Wirkprinzipien für die Geldpolitik der Zentralbanken (Kapitel 9). Die gewählte Darstellungsmethode ist, abgesehen von wenigen Ausnahmen, die einer gedanklichen Entwicklung mit gelegentlichen empirischen Belegen. Mitunter argumentiert der Autor aber auch polemisch, so zum Beispiel, wenn er die verschiedenen Methoden der Geldschöpfung oder der Staatsfinanzierung diskutiert (181ff.). In einigen Fällen hätte man sich hier aber auch eine noch deutlichere Zurückweisung unzutreffender bzw. ungeteilter Auffassungen vorstellen können. Die Vermittlung des nicht immer leicht zugänglichen Stoffes wird unterstützt durch ein Glossar, ein Abkürzungsverzeichnis, tabellarische Übersichten und einige Schemata im Text. Außerdem enthält das Buch ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie ein Stichwortregister.
Ulrich Busch