Rezension #2: Klaus Karwat “Schuldenfreies Geld”

Eine Rezension von Franz Schneider zum Buch “Schuldenfreies Geld- Warum der Kapitalismus eine Systemreform braucht” von Klaus Karwat, (Metropolis-Verlag, Marburg, 2021, 183 S.).

Klaus Karwat, seit 2012 Vorsitzender des Vereins Monetative (Sitz Berlin), Politik- und Verwaltungswissenschaftler, hat ein Buch geschrieben, das an den Grundfesten unseres Geldsystems rührt. Die Lösung der riesigen ökologischen und sozialen Probleme, die sich weltweit auftürmen, bedarf in der Tat fundamentaler Änderungen dieses Systems. Angesichts einer unaufhaltsam voranschreitenden Bereicherung von einigen Wenigen und einer ebenso unaufhaltsamen Verschlechterung der Lebensverhältnisse immer größerer Teile der Gesellschaften müssen die Hebel umgelegt werden.

Der Hebel, den Karwat ansetzt ist ein ganz mächtiger: die Schulden. Er stellt die Frage, wie Geld eigentlich „zur Welt kommt“. Ganz grundsätzlich gibt es nur eine Möglichkeit: durch Schöpfung „aus dem Nichts“. Es war vorher nicht da, und plötzlich steht es in Form von Zahlen in den Büchern von Geschäftsbanken und Zentralbanken.

In dem vorhandenen Geldsystem allerdings kann dieses Geld nur als Schulden zur Welt kommen. Das heißt in Form eines Kredits. Der Geldschöpfer sucht eifrig jemanden, dem er das „Geld“ verkaufen kann und von dem er dann die Rückzahlung dieses „Geldes“ plus Zinsen verlangt. Er behauptet, dass das Geld selbst einen „inneren“ Wert habe. Und weil es diesen Wert hat, verlangt er einen Gegenwert, mit dem der behauptete Wert des Geldes „gedeckt“ werden soll. Die Eintragung der Schuld als Verbindlichkeit, also als Deckung, garantiert dem Geldschöpfer, dass er in seinem Kreditgeschäft immer nur einen Gewinn machen kann. Selbst in dem Fall, in dem der Kreditnehmer z.B. seinen Immobilienkredit nicht mehr bedienen kann. Dann bedient sich die Bank des Häuschens des Kreditnehmers.

Die Behauptung von dem inneren Wert des Geldes wird seit Jahrhunderten aufrechterhalten, und dennoch entsprach sie nie der Wahrheit. Hilfestellung bei dieser Lüge leistete das Gold. Der reiche Kaufmann, der im 15. Jahrhundert in Oberitalien seine Goldstücke in den Tresor des Goldschmieds legte, bekam von diesem Zettel ausgestellt. Der Kaufmann konnte diese weiterreichen, um damit Dinge zu kaufen. Er tat dies mit dem Hinweis, dass der Wert des Zettels durch Gold „gedeckt“ sei. Jeder, der im Besitz eines solchen Zettels sei, könne also gegebenenfalls den Zettel gegen Gold bei dem Goldschmied einlösen. Der Goldschmied kam sehr schnell auf die lukrative Idee, viel mehr Zettel auszustellen, als durch das Geld gedeckt sein sollten. Das war die Geburtsstunde der Geldschöpfung und der Banken. Die meisten Menschen glauben immer noch daran. Es war auch die Geburtsstunde der doppelten Buchführung, die durch die Eintragung einer (fiktiven) Verbindlichkeit eine Deckung vortäuschte, die es nicht gab.

Aus den Ausführungen Karwats ergeben sich zwei zwingende Schlussfolgerungen. Geld ist durch nichts Werthaltiges zu decken, ja es ist sogar durch überhaupt nichts zu decken.

Es ist durch Gold nicht zu decken, denn der steinreiche Onkel Dagobert hätte in seinem Keller auf seinen Goldbergen verhungern können. Wie schnell die Deckungsfähigkeit des Goldes – wenn man denn an dem Glauben festhalten will – als Schwindel auffliegt, kann man immer wieder in Zeiten wirtschaftlicher Krisen beobachten. Die Golddeckung wird dann ganz einfach aufgehoben. Am besten ist noch in Erinnerung, wie Nixon 1971 vor den Augen der Weltöffentlichkeit eingestehen musste, dass in Fort Knox viel zu wenig Gold eingelagert war. Die Illusion flog auf und seitdem sollte auch der Letzte begriffen haben, dass Gold eine Deckungs-Fata Morgana ist.

Etwas schwieriger ist zu verstehen, warum Geld grundsätzlich nicht deckungsfähig ist. Eben deshalb, weil es keinen eigenen Wert hat. Das ist der Grund, warum es unbegrenzbar geschöpt, also erzeugt, werden kann. Es kann daher nie knapp sein. Was aber nicht knapp ist, kann keinen Wert haben. Wert kann nur durch Knappheit entstehen. Sauberes Wasser ist knapp, saubere Luft, Holz, Sand, seltene Erden, gut ausgestattete Krankenhäuser mit gut bezahltem Personal und vieles andere mehr ist knapp.

Was ist Geld denn dann tatsächlich? Geld ist grundsätzlich „reine WertFORM“. Auch wenn Karwat das nicht explizit so ausdrückt, seine Argumentation zielt genau in diese Richtung. Er sagt, Geld ist reine Information, reine Zahl. Der Rezensent drückt das Gleiche so aus: Geld ist ein Instrument, eine Maßeinheit zur Bestimmung von Wertverhältnissen zwischen Gegenständen (G) und zwischen Arbeitsleistungen (A) oder zwischen G und A. Wenn also ein Gegenstand X mit der Zahl 3 versehen wird und ein anderer Gegenstand Y mit der Zahl 4, dann wurde entschieden, dass der Gegenstand X dreiviertel so viel wert ist wie Gegenstand Y. In dem Moment, in dem beiden Gegenständen eine Zahl zugewiesen wurde, wurden sie zur Ware mit einem Preis.

Und dann tritt ein zweiter Faktor hinzu, der für das Begreifen von „Geld“ wichtig ist. Das rechtliche Territorium, in dem die Preise ihre Gültigkeit haben, muss vorhanden sein. Und hier kommt der staatliche Souverän ins Spiel. „Das Geld ist ein Geschöpf der Rechtsordnung“. So bringt das Georg Friedrich Knapp auf den Punkt, Begründer des Chartalismus und Autor des wegweisenden Buches „Staatliche Theorie des Geldes“ (1905).

Weil Geld nicht deckungsfähig ist, spielt es genauso wenig eine Rolle, wieviele Deckungsangebote, also (angebliche) Sicherheiten, es gibt. Auch sie können unbegrenzt angeboten werden. Auf dem Finanzmarkt gibt es Millionen von Derivaten, also Sicherheitspapiere, die die Geldspekulationen absichern sollen. Bedarf es da noch weiterer Beweise für die logisch zwingende Entsprechung von unbegrenzter Schöpfung von Geld und Sicherheiten?

Karwat entlarvt die Absurdität der Bilanzierung eines Kredits. Das Geld, das dabei ausgegeben wird, erscheint auf der Aktivseite als Forderung an den Kreditnehmer auf Zurückzahlung und gleichzeitig auf der Passivseite als eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Kreditnehmer. Das gilt sowohl für die Zentralbanken gegenüber den Geschäftsbanken als auch für die Geschäftsbanken gegenüber den Kunden. Karwat nennt das Ganze „doppelten Kredit“. Das heißt mit anderen Worten. Der Kreditgeber gibt dem Kreditnehmer etwas „Wertvolles“, was der Kreditgeber wegen der Geldschöpfung aus dem Nichts noch gar nicht haben kann. Der Kreditnehmer geht davon aus, dass er etwas Wertvolles bekommt. Deshalb ist er bereit, dem Kreditgeber etwas (tatsächlich) Wertvolles wieder mit einem Zinsaufschlag zurückzuzahlen.

Der Kredit erscheint als das, was er wirklich ist. Als Machtinstrument eines starken Gläubigers, um sich Besitz an etwas zu verschaffen, was er nicht hatte (mehr Geld, Wertpapiere, reale Wertobjekte). Im Falle der Machtbeziehung zwischen Geschäftsbanken und Kunden (Haushalte, Unternehmen, Staat) geht diese Rechnung immer noch auf. Zwischen Zentralbanken und Geschäftsbanken ist die Situation sehr viel komplizierter. Das ist wieder ein anderes Thema.

Um diesem absurden Verschuldungssystem ein Ende zu bereiten, plädiert Karwat für eine schuldenfreie Geldschöpfung. Er führt damit einen Gedanken des wichtigsten gedanklichen Wegbereiters, Josef Huber, weiter und arbeitet ihn detailliert aus. Diese Geldschöpfung erfolgt nicht mehr per doppelter Buchführung und berücksichtigt konsequent, dass modernes Geld durch nichts gedeckt werden kann. Sie wird außerhalb der Bilanz in einem Währungsregister ohne doppelte Buchführung dokumentiert, erzeugt also keinerlei Verbindlichkeit. In Umlauf kommt das neue Geld durch Zuweisung an den Staatshaushalt, ohne dass es als Staatsverschuldung gewertet wird.

Jedem, der noch Genaueres erfahren möchte, sei ein Blick in dieses faszinierende Buch empfohlen. Es eröffnet optimistische Perspektiven zur Bewältigung der Zukunft.

FranzSchneider-France@gmx.de

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