Als vor 10 Jahren die Finanzkrise einschlug, wurde die Zunft der Mainstream-Ökonomen davon völlig überrascht, denn typischerweise beschäftigte man sich primär mit theoretischen Gleichgewichtsmodellen, in denen Geld und Banken schlichtweg nicht vorkamen. Geld war für Ökonomen ungefähr so, wie für Fische das Wasser – es war halt irgendwie da.
Aufgrund der andauernden Krise(n) hat sich daran nun einiges geändert und dieses Jahr hat der Verein für Socialpolitik (VfS), die größte deutschsprachige Ökonomenvereinigung, eine mehrtägige Jahrestagung vom 03.-09. September 2017 sogar zum Thema „Alternative Geld- und Finanzarchitekturen“ in Wien ausgerichtet.
Die erste Keynote hielt Michael Kumhof zum Chicago Plan (eine Vorläuferversion des Vollgeldvorschlags) und zu Digital Cash. Kumhof hat noch vor ein paar Jahren für den IMF gearbeitet und 2012 eine aufsehenerregende Studie veröffentlicht, in der er den Chicago Plan simulierte und zu ausgesprochen positiven gesellschaftlichen Effekten kam. Mittlerweile arbeitet er für die Bank of England, um unter anderem die Potenziale von elektronischem Bargeld (Digital Cash) zu untersuchen. Es ist sehr zu begrüßen, dass Kumhof eingeladen wurde und das Thema Geldsystemreform damit so viel Raum bekommen hat.
Eine zweite Keynote gab es von Michael Hellwig zu „Geldtheorie, Bargeld und Giralgeld“ in der er sogar vor versammelter Mannschaft äußerte, “Der Umgang der Wirtschaftstheorie mit Geld ist ein Skandal, wir verstehen das Problem heute schlechter als früher”.
Es folgte ein Panel zu „Digital Money – Herausforderungen für die Geldpolitik“ mit vier Kurzvorträgen, unter anderem von Mathias Binswanger (dem Sohn von Hans-Christoph BInswanger), der sogar die anstehende Schweizer Volksabstimmung zum Vollgeld erwähnte.
Die nächste Keynote hielt Adi Shamir zu Bitcoin und danach referierte Albrecht Ritschl zu “Notgeld, Zigaretten, Bitcoins: Vom Aufstieg und Niedergang alternativer Währungen” und erwähnte dabei sogar das Experiment von Wörgl, welches gewissermaßen die Inspiration der Lokalgeldbewegung darstellt.
Nach diesen höchst interessanten Beiträgen war nur leider das Abschlusspanel zum Thema „Europa im 21. Jahrhundert: Welche Zukunft für die Euro-Zone?“ mit Lars Feld, Clemens Fuest und Reint E. Gropp ziemlich einseitig marktliberal besetzt und verblieb völlig visionslos.
Ein Artikel zur Tagung aus der FAZ findet sich hier.
Wie bereits bei einigen vergangenen VfS Jahrestagungen, veranstaltete das Netzwerk für Plurale Ökonomik auch dieses Jahr wieder zeitgleich eine kritisch-pluralistische Ergänzungsveranstaltung, zum Thema „Alternative Geld- und Finanzarchitekturen im Dienst von Mensch und Gesellschaft“. Diese bestand aus einer abendlichen Podiumsdiskussion mit
- Prof. Mathias Binswanger (Uni St. Gallen und FHNW)
- Tobias Plettenbacher (Gründer WIR Gemeinsam)
- Christian Felber (Gründer Gemeinwohlökonomie)
- Prof. Elisabeth Springler (FH Wien)
- Lino Zeddies (Monetative e.V.)
- Moderation: Kathrin Latsch (Journalistin, Geschäftsführerin Monneta)
Diskutiert wurden die Probleme des gegenwärtigen Finanzsystems und welche Reformen und Lösungen es bräuchte. Die Vollgeldreform erfuhr dabei die größte Aufmerksamkeit und wurde von den meisten Podiumsteilnehmern auch klar unterstützt.
Die Podiumsdiskussion der Ergänzungsveranstaltung wurde auch gefilmt. Sobald das Video online ist, werden wir es hier einfügen und auch im Monetative-Newsletter darauf hinweisen.
Insgesamt vergingen somit ein paar höchst erfreuliche Tage für die Debatte um ein neues Geld- und Finanzsystem und insbesondere dem VfS ist anzurechnen, sich mit solch progressiven und herausfordernden Themen wie Digital Cash, Bitcoin und Vollgeld zu beschäftigen.
Außerdem scheint jetzt im ökonomischen Mainstream angekommen zu sein, dass Banken Giralgeld schöpfen, während eine solche These noch vor wenigen Jahren üblicherweise schlechthin als Verschwörungstheorie und Esoterik abgetan wurde. Es hat sich mittlerweile doch einiges bewegt, nicht zuletzt dank der Bemühungen vieler engagierter Menschen.
Wir sind sehr gespannt, wie die Debatte weitergeht.