Perspektiven zu digitalem Zentralbankgeld (CBDC)
Angesichts der aufkommenden Krisentendenzen und Unterschreitung des Inflationsziels sehen sich Zentralbanken zunehmend der Kritik ausgesetzt, dass die Wirksamkeit der vorhandenen geldpolitischen Steuerungsinstrumente erschöpft ist. Es werden dabei Rufe nach noch unkonventionelleren Maßnahmen laut. So spricht sich Philipp Hildebrand, der ehemalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank, für einen „going direct“-Ansatz aus, bei dem die Zentralbank neues Geld direkt an
die Bürger verteilen soll. An einer Möglichkeit die Infrastruktur für ein solches „Helikoptergeld“ zur Verfügung zu stellen, wird derzeit von einer großen Mehrheit der Zentralbanken weltweit geforscht. Die Rede ist von Digitalem Zentralbankgeld, bei dem jeder Bürger direkt oder indirekt Zugriff auf ein Konto bei der Zentralbank haben soll. Auch die Politik setzt sich mit dem Thema inzwischen intensiver auseinander, was in dem Positionspapier der CDU deutlich wird, worin ein „Digitaler Euro“ gefordert wird. Dieser soll aber primär gegen vorhandenes Geld herausgegeben werden und ein Gegenpol zu Facebook’s angekündigter Weltwährung Libra bilden.
Auf unserer diesjährigen Jahrestagung drehte sich alles rund um das spannende Themengebiet digitales Zentralbankgeld . Neben dem aktuellen Stand und Entwicklungen von digitalem Zentralbankgeld wurde diskutiert, ob digitales Zentralbankgeld die geldpolitischen Instrumente der Zentralbank sinnvoll erweitern kann. Zudem wurden Implikationen für das Finanzsystem dargestellt sowie das Verhältnis zu privaten Währungen. Ferner wurde die Frage debattiert werden, ob digitales Zentralbankgeld ausreichend für ein gerechtes, nachhaltiges und stabiles Geldsystem ist oder ob dies eine Vollgeldreform erfordert.
Nachfolgend finden Sie die Videos zur Podiumdiskussion sowie alle Vorträge unserer Referenten zusammengefasst mit Ihren Präsentationen.
Podiumsdiskussion
Fabio De Masi
Stellvertretender Vorsitzender Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und Finanzpolitischer Sprecher
Bettina Stark-Watzinger
MdB FDP, Vorsitzende des Finanzausschusses
Klaus Karwat
1. Vorsitzender Monetative e.V.
Manuel Klein
Moderation und Vorstand Finanzen Monetative e.V.
Referenten
Thomas Mayer
Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute und Honorarprofessor an der Universität Witten/ Herdecke. Zuvor war er Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe und Leiter von Deutsche Bank Research. Seine zuvorige berufliche Laufbahn umfasste Stationen bei Goldman Sachs, Salomon Brothers, dem Internationalen Währungsfond und dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel.
Ein digitaler Euro zur Rettung der EWU?
Prof. Thomas Mayer stellte am vergangenen Wochenende auf unserer Jahrestagung seine Reformidee zur Rettung der Eurozone dar. Der digitale Euro, den er als Vollgeld versteht, wird als (1) sichere Einlage geschaffen, (2) diese wird auf der Zentralbankbilanz konsolidiert und anschließend (3) auf Kryptogeld umgestellt. Banken wären nun Finanzintermediäre ohne staatliche Garantien und durch die Umstellung gäbe es die Möglichkeit zu einer Staatsentschuldung in Höhe der Bank-Sichteinlagen: Nämlich 7,1 Billionen EUR (61% des BIPs im €-Raum).
Joseph Huber
Joseph Huber ist Professor Em. für Wirtschafts- und Umweltsoziologie der Martin-Luther-Universität Halle. Er gilt als Vordenker der Vollgeldreform. Frühere Aktivitäten dienten der Wegbereitung ökologisch-ethischer Geldanlage. Er war außerdem 2009 Mitgründer des Netzwerks Monetative, das 2012 in einen e.V. überführt wurde.
Vollgeld und digitales Zentralbankgeld (CBDC)
Prof. Huber definiert in seinem Vortrag Vollgeld als "vollgültiges bzw. unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel", welches heute bereits als Bargeld und Reserven existiert. Weiterführend unterscheidet er anschaulich eine Taxonomie der (aktuellen) Geldarten: (1) die Basisebene mit Vollgeld, die (2) zweite Ebene auf Vollgeldbasis mit Giralgeld, (3) die dritte Ebene auf Giralgeldbasis mit bspw. Geldmarktfonds-Anteilen, (4) die konkurrierende Basisebene als Direkt-Herausforderer der Geldhoheit mit bspw. Bitcoin. Darauf aufbauend zeigte er an der historischen Entwicklung verschiedener Geldarten einen konstanten Wechsel der Geldarten als sog. „Monetären Tidenwechsel“, der nun mit dem beginnenden Rückgang des Bankengeldes und dem Aufstieg von digitalem Zentralbankgeld erneut vollzogen wird.
Cyrus de la Rubia
Cyrus de la Rubia ist Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank. Von 2005 bis 2012 war er im Bereich Volkswirtschaft und Research der HSH Nordbank tätig. Davor war er bei der Dresdner Bank Lateinamerika und Universität Potsdam tätig.
Digitales Zentralbankgeld als geldpolitisches Instrument
Dr. de la Rubia gab in seinem Vortrag einen allgemeinen Überblick über digitales Zentralbankgeld und sprach dabei über Helikoptergeld und ob ein CBDC zinsbelastet sein sollte. Die Geldblume der BIZ, mit einer Clusterung der Geldarten, diente dabei als anschauliche Orientierungshilfe. In seinem Vortrag wurden wichtige Fragen zur möglichen Einführung und Ausgestaltung eines CBDCs aufgeworfen.
Ulrich Bindseil
Ulrich Bindseil ist Generaldirektor für Marktoperationen bei der Europäischen Zentralbank. Zuvor war er bei der Bundesbank und dem European Monetary Institute tätig. Zudem ist er Honorarprofessor an der TU Berlin.
CBDC – Implikationen für das Finanzsystem und Kontrolle
Ulrich Bindseil stellte eine Variante zur CBDC-Einführung vor, die ein zweigliedriges "Tiering" vorsieht und als "pragmatische, depolitisierte Sichtweise" verstanden werden könnte. Damit wäre ein CBDC auch ohne eine komplette Umstellung auf Vollgeld möglich, da das Tiering die volle Konvertierbarkeit einschränkt. Im Tiering 1 gäbe es demnach keine Negativzinsen und BürgerInnen könnten diese Zentralbankkonten bis zu 3.000 € halten. Im Tiering 2 könnten die Zinsen von der Zentralbank frei gewählt und in Krisenzeiten entsprechend flexibel gesteuert/gesenkt werden. Die Vorteile des vorgestellten Tiering-Systems wären aus seiner Sicht (1) eine Fairness gegenüber geringeren Vermögen bzw. gegenüber der Zahlungsfunktion des Geldes, (2) eine Verhinderung, dass Zentralbankgeld zu einem Wertspeicher für größere Geldvermögen wird und (3) eine Lösung für die Ängste vor struktureller und zyklischer Disintermediation sowie vor Negativzinsen für die breite Bevölkerung.
Simon Hess
Ist 2. Vorstand des Monetative e.V. und promoviert aktuell zum Thema "Die zukünftige Rolle von Nichtbanken bei Zahlungs- und Kreditdienstleistungen"
Einführungsvortrag: Ausgestaltungsoptionen und aktuelle Entwicklungen
Simon Hess stellte eingangs weltweite Entwicklungen zu Digitalem Zentralbankgeld, anhand verschiedener Beispiele, vor. Dabei unterscheidet er 3 Ausgestaltungsoptionen, die bereits weltweit (zumindest in Teilen) Anwendung finden: (1) Rechtlich und praktisch implementiert, wie bspw. in China und El Salvador jeweils als Intermediär. (2) Rechtlich implementiert, wie bspw. in Brasilien, Kolumbien, Schweiz, England und Litauen jeweils als Intermediär. (3) Weit fortgeschrittene Initiativen, wie in den USA (The Narrow Bank, Intermediär) oder den Niederlanden (Ons Geld – Public depository, Treuhänder Modell).