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Historische Einordnung der neuen Geldart “Digitaler Euro”

DER DIGITALE EURO – HISTORISCHE EINORDNUNG UND BEDEUTUNG

Derzeit wird über die Einführung des „Digitalen Euros“ diskutiert. Ein erster Entwurf dazu wurde inzwischen von der Europäischen Kommission vorgelegt. Viel wird über technische Fragen diskutiert – wird der Digitale Euro ein sogenannter „Token“ – also eine Information, die direkt von einem zum nächsten Computer transferiert wird? Oder wird es ein Geld auf einem Konto bei der Zentralbank oder bei einem mit ihr verbundenen Zahlungsdienstleister? Oder soll nur das Bargeld abgeschafft werden?

Ich will versuchen, den Digitalen Euro in den historischen Kontext zur Entwicklung unseres Geldsystems zu stellen. Dazu ist ein Blick ins letzte Jahrhundert notwendig: Bis 1924 konnten viele deutsche Banken selbst Banknoten emittieren/drucken. Nach der Hyperinflation war das 1924 dann nur noch vier Banken erlaubt, und das nur noch für 10 Jahre. Danach hatte die deutsche Reichsbank das vollständige Monopol zum Drucken von Banknoten – damit erhoffte man sich mehr Stabilität im Finanzsystem. Banken selbst konnten also kein Papiergeld mehr drucken. Allerdings konnten Sie nach wie vor über Kredite das sogenannte Buchgeld/Giralgeld schöpfen – dies entsteht, wenn Banken Kredite vergeben und nicht in Banknoten auszahlen, sondern auf Kundenkonten überweisen. Bis heute ist das so geblieben: Nur die Europäische Zentralbank darf Banknoten drucken, die Banken selbst produzieren in großem Stil ihr Buchgeld: Alles Geld, das digital auf unseren Bankkonten gespeichert ist, wird von den Banken selbst in ihren Computern produziert. Damit meine ich private Geschäftsbanken, Genossenschaftsbanken und auch öffentliche Sparkassen – im weiteren Text sage ich nur noch „Banken“. Anders aber als vor hundert Jahren können wir nicht mehr erkennen, von welcher Bank die Euros auf unseren Konten ursprünglich stammen – wir haben nur „Euro“ auf unserem Konto, keine Deutsche-Bank-Euros, Sparkassen-Euros, Unicredito-Euros etc….Vor hundert Jahren hingegen war auf einer Banknote der Sächsischen Bank deutlich gekennzeichnet, dass sie von dieser Bank gedruckt wurde und nicht von der Zentralbank. Deswegen meinen wir irrigerweise, schon „Digitale Euros“ auf unseren Konten zu besitzen. Wir haben dort aber kein echtes Zentralbankgeld, sondern nur Forderungen auf Zentralbankgeld. Bei Vertrauenskrisen droht deswegen der sogenannte „Bankrun“: Alle rennen zur Bank und wollen echtes Bargeld für ihren Kontoinhalt abheben, das aber nur ca. 3 % des Buchgelds deckt. Um das zu verhindern, rettet der Staat die Banken und beruhigt so die Gemüter, letztens in der Finanzkrise 2008, als Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück eine Garantie für die Banken aussprachen. Der Nachteil dabei: Banken können zwar private Gewinne machen, aber drohen große Verluste, springt der Staat ein und rettet die Banken. Das bezeichnet man als „moral hazard“. In seinem Buch „Mein Weg“ schrieb der frühere Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann (S.439): „Moral hazard darf keine Rolle spielen. Niemand soll erwarten dürfen, dass das Unternehmen im Falle einer Schieflage vom Steuerzahler aufgefangen wird“.

Jetzt soll der Digitale Euro kommen. Präziser gesagt diskutieren wir über die Einführung eines digitalen Zentralbankeuros, denn digitale Euros haben wir ja, wie oben beschrieben, schon auf unseren Bankkonten. Analog wie vor ca.100 Jahren geht es heute darum, das von Banken selbst hergestellte digitale Geld durch ein von den Zentralbanken emittiertes Geld, den digitalen Zentralbankeuro zu ersetzen oder zumindest zu ergänzen. So hätten wir alle dann die Wahlmöglichkeit, ob wir Bankengeld oder Zentralbankgeld nutzen wollen. Die Banken fürchten, dass einige ihrer Kund/innen zu Zentralbankgeld wechseln weil es sicherer ist – denn eine Zentralbank kann nicht in Konkurs gehen. Die offensichtlich intensive Lobbytätigkeit der Banken in Brüssel hat dazu geführt, dass wir nach dem derzeitigen Diskussionsstand nur 3000 € an digitalen Zentralbankeuros halten können. Überschüssige Beträge würden automatisch umgetauscht in Bankengeld – eine Art Zwangsumtausch! Aber damit wäre das neue Geld nicht attraktiv. Die Banken hätten es eigentlich selbst in der Hand, ihre Kund/innen durch interessante Angebote zu halten – zum Beispiel durch Zinsen auf laufende Konten oder besonders guten Service. Die Position von uns als Bankkund/innen wäre durch eine freie Wahl zwischen digitalem Zentralbank- und Bankengeld jedenfalls gestärkt!

Wenn ein digitaler Zentralbankeuro kommt, sind drei Kriterien wichtig: Er müsste erstens frei umtauschbar sein, sowohl in digitale Euros, die wir auf unseren Bankkonten haben, als auch in Bargeld. Bargeld muss es weiter geben, wenn zum Beispiel das digitale System einmal zusammenbricht. Außerdem kann man bei Benutzung von Bargeld nicht vollständig in seinen kleineren Zahlungsgewohnheiten „digital durchleuchtet“ werden. Von manchen wird der digitale Zentralbankeuro abgelehnt, weil er angeblich zu mehr Überwachung führt. Das ist allerdings ein allgemeines Problem der Digitalisierung und betrifft genauso das digitale Bankengeld. Denn auch hier hat der Staat notfalls Einblick in die entsprechenden Daten, allein schon um Kriminalität bekämpfen zu können. Gegen Missbrauch der Daten hilft nur guter Datenschutz, und der ist bei Zentralbankgeld leichter zur gewährleisten als bei Bankengeld.

Zweitens müsste ein öffentlicher Zahlungskreislauf mit digitalen Zentralbankeuros etabliert werden. Erst wenn ein solcher öffentlicher Zahlungskreislauf funktioniert, kann die oben zitierte Forderung von Ackermann umgesetzt werden: Keine Bank in Schwierigkeiten müsste mehr gerettet werden – das „Moral Hazard“- Problem wäre gelöst. Eine größere Bank, die in Konkurs geht, würde einen Teil der Guthaben ihrer Kunden nicht mehr auszahlen können – aber es würde nicht der gesamte Zahlungsverkehr lahmgelegt. Heute laufen alle Zahlungen über Bankkonten, und wenn eine größere Bank ausfällt, stellen die Banken den Überweisungsverkehr ein, weil Sie sich dann gegenseitig misstrauen. Genau das drohte in der Finanzkrise 2008 – der Staat musste einspringen, damit überhaupt noch Überweisungen getätigt werden konnten. Faktisch besteht heute immer noch ein Zwang zur Rettung von privaten Banken, jüngst wieder zu beobachten bei der Übernahme der Schweizer Bank Credit Suisse durch die UBS. Ergebnis ist eine Bank, deren Bilanzsumme doppelt so groß ist wie das Sozialprodukt der Schweiz!

Das dritte Kriterium betrifft die Verbuchung von neuem Geld. Wieder ist ein Rückblick in die Geschichte unseres Geldsystem notwendig: Früher war unser Geld mit einer Goldreserve gedeckt. Seit dem 15. August 1971 ist das nicht mehr so: Damals strich der amerikanische Präsident Richard Nixon die Goldbindung der internationalen Leitwährung Dollar. Wir können also kein Gold mehr von der Zentralbank für unsere Zentralbanknoten fordern, wenn wir misstrauisch werden, weil die Zentralbank so viel Geld in Umlauf bringt. Ein solches Misstrauen kam 1971 auf, weil die USA riesige Geldbeträge in Umlauf brachten, um den Vietnamkrieg zu finanzieren. So wurde die Goldbindung einfach gestrichen, und damit alle Begrenzungen für das überproportionale Wachstum der Geldmenge. Ein ähnlich überzogenes Wachstum gab es ab Mitte des letzten Jahrzehnts auch beim Euro (Stichwort „quantitative easing“) – die Inflation folgte, wie wir alle wissen.

Warum haben die Zentralbanken ihre Limits verloren: Weil sie ihre Geldemission als Verbindlichkeit in ihrer Bilanz verbuchen, obwohl sie keine Deckungsreserve mehr brauchen. Aber gerade diese Reserve beschränkte die Geldschöpfung. Die Verbuchung von neuem Geld als Verbindlichkeit ist also historisch überholt. Sie werden vielleicht meinen, dies sei nur eine buchungstechnische Randnotiz. Das ist es aber ganz und gar nicht: Wenn Zentralbanken für ihre Geldemission Verbindlichkeiten in ihrer Bilanz eintragen, müssen sie auf der anderen Seite ihrer Bilanz auch eine Forderung an die Geldempfänger vermerken, um die Bilanz auszugleichen. Das heißt: Geldschöpfung führt heute immer zu Verschuldung eines Wirtschaftsteilnehmers – seien es wir oder sei es der Staat selbst. Würde Geld nicht mehr als Verschuldung emittiert, so könnten wir die Staatsverschuldung entscheidend abbauen. Ich habe in meinem Buch „Schuldenfreies Geld“ dargestellt, wie man einen digitalen Zentralbankeuro schuldenfrei emittieren könnte: Nicht über Doppelte Buchführung, das ist ein System aus der Warenwirtschaft, das nicht auf die Geldschöpfung angewendet werden sollte. Denn das neu entstehende Geld kann keinem Warenverkehr zugeordnet werden. Vielmehr bräuchte man ein Währungsregister, das das geschöpfte Geld genau auflistet, ohne dass in dieser Liste Verbindlichkeiten der Zentralbank eingetragen werden! Dann könnte die Staatsverschuldung entscheidend verringert werden, denn die Zentralbank könnte das Geld als Zuschuss emittieren und nicht als Kredit, ohne dass dadurch ihre Bilanz in Schieflage gerät. Das Limit der Geldproduktion müsste dann zukünftig genauso wie heute politisch diskutiert werden, allerdings ohne dies gleich mit der Diskussion über die Staatsverschuldung zu vermischen – der Vorgang der Geldschöpfung hat mit herkömmlichen Schulden nichts zu tun. Ein Digitaler Euro könnte ein Einstieg in eine Geldproduktion ohne Verbindlichkeiten bei der Zentralbank sein.

Würde jetzt Schritt für Schritt ein Digitaler Euro eingeführt, könnte das übermäßige Spekulation und Finanzkrisen dämpfen, wir müssten keine strauchelnden Banken mehr retten, die Position von uns Verbrauchern gegenüber den Banken würde verbessert und die Staatsverschuldung verringert. Nutzen wir diese Chance!

Klaus Karwat

Politik- und Verwaltungswissenschaftler, Autor des Buches Schuldenfreies Geld, Metropolis Verlag, 1.Vorsitzender Monetative e.V.

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