Menu

BUNDESTAGSKANDIDATEN ÄUSSERN SICH ZUM THEMA GELDSCHÖPFUNG

WAS HALTEN DIE KANDIDATEN FÜR DEN DEUTSCHEN BUNDESTAG VON PRIVATER GELDSCHÖPFUNG DURCH DIE GESCHÄFTSBANKEN?

Sie haben uns viele Antworten von Bundestagsabgeordneten auf unsere auf
der Webseite formulierten Fragen weitergeleitet. Vielen Dank dafür!
Derzeit 25 dieser Antworten bezogen sich mehr oder weniger konkret auf
die gestellten Fragen. Diese Antworten werden wir in der nächsten Zeit
systematisch auswerten und kommentieren. Insgesamt ist zu sagen, dass
die meisten Antwortenden den Vollgeld-Vorschlag zu kennen glauben. Diese
Kenntnis beruht aber anscheinend meist auf der Presseberichterstattung
über das IWF-Gutachten zum 100%-Geld. Dieses IWF-Gutachten plädiert zwar
ebenfalls für eine ausschließlich öffentliche Geldschöpfung, allerdings
auf Basis einer 100%-Reserve, was technisch und auch von den
Auswirkungen etwas anderes ist als Vollgeld. Aus den vorliegenden
Antworten ergibt sich trotzdem ein Meinungsbild zum Vorschlag, den
Geschäftsbanken die Möglichkeit zur eigenen Geldschöpfung zu entziehen.
Diese Tendenz ist allerdings lediglich eine Momentaufnahme vor der
Bundestagswahl und erhebt nicht den Anspruch auf zuverlässige
Repräsentation der in den Parteien vertretenen Meinungen. Aus den
Parteiprogrammen selbst ist zum Thema Geldschöpfung wenig zu entnehmen.

DIE ANTWORTEN IM ÜBERBLICK:

Beginnen wird mit den kleineren Parteien Piraten und AfD: Die Piraten
haben bei ihrer Programmdiskussion (meines Wissens als einzige Partei)
über den Vollgeld-Vorschlag diskutiert, konnten sich aber nicht zu einer
Programm-Empfehlung durchringen.  Ein Kandidat (Wiesendahl) plädiert für öffentliche Geldschöpfung, würde aber gerne auch Alternativ-/Komplementärwährungen zu lassen. Ein Kandidat (Lüdtke-Reißmann)
hält Vollgeld für eine  Verstaatlichung des Bankensektors  und lehnt es
deshalb ab. Wichtiger ist für ihn die Einführung des Bedingungslosen
Grundeinkommens (BGE).  In der AfD gibt es ganz unterschiedliche Meinungen, ein Kandidat ist für Geldschöpfung durch die Banken (Ermer), einer (König)
sieht  im derzeitigen Zustand, der „totgeschwiegen“ werde, ein Problem,
plädiert aber für die Konkurrenz von privaten  Währungen (gemäß 
F.A.Hayeks Buch „Entnationalisierung des Geldes“), allerdings mit dem
Unterschied, dass auch die staatliche Währung an diesem Wettbewerb
teilnehmen darf.
Die antwortenden FDP-Kandidaten halten private Banken-Geldschöpfung für kein Problem. Rein öffentliche Geldschöpfung  wäre für Frau Aschenberg-Dugnus  und Herrn Erdel
„planwirtschaftlich“, ein „Risikofilter“ durch haftende Privatbanken
würde dafür sorgen, dass über Kredite neu geschöpftes Geld effizient
eingesetzt werde. Das „Atmen“ der Geldmenge durch Koppelung der
Geldschöpfung an Kreditvergabe sei notwendig. Der Kandidat  Schäffler
möchte sogar einen freien Wettbewerb der Währungen, ähnlich wie König
von der AfD. Wissing vertraut darauf, dass
Banken-Geldschöpfung durch die von den Banken geforderten Sicherheiten
an die wirtschaftliche Entwicklung gekoppelt sei. Dieses System sei
dynamisch und stelle sehr schnell Geld dort bereit, wo es investiert
werden kann, während alleinige Geldschöpfung durch die Zentralbank zu
„planwirtschaftlich“ sei. Die Abschätzung der notwendigen Geldmenge
durch die Zentralbank und schnelle Reaktionen auf ein sich änderndes
Marktumfeld seien schwierig, und die Aufbewahrung von unbarem Vollgeld
teurer als auf den heutigen Girokonten. Auch Geldanlagen sieht er im
Vollgeldsystem erschwert. Den „Stresstest“ einer Systemumstellung möchte
er nicht wagen.
Für die LINKE glaubt Herr Troost nicht,
dass das heutige System gut funktioniert, hält aber die derzeitige
Technik der Geldschöpfungspraxis für legitim. Um eine bessere Kontrolle
zu erreichen, strebt er die „Vergesellschaftung“ aller Banken an. Frau Pau betont zusätzlich, dass sich die Linke noch nicht abschließend über Vollgeld verständigt hat. Frau Gohlke
erwähnt, dass die Linke direkte Kredite der EZB an Staaten fordert und
eine bessere öffentliche Kontrolle der Geldschöpfung der Geschäftsbanken
erreichen will.  Dasselbe will Frau Wagenknecht, als Vorbild sieht sie dabei die Regulierung von Sparkassen/Genossenschaftsbanken. Frau Wawzyniak will private Banken ins öffentliche Eigentum übernehmen und eine öffentliche Kontrolle der Geldschöpfung.
Die SPD akzeptiert den derzeitigen Mechanismus der Geldschöpfung, weil die Zentralbank das System steuern könne. Frau Tack
ist der Meinung, dass eine Umstellung auf 100%-Reserve zu einem Kollaps
der Finanzmärkte führen würde, und kritisiert eine von ihr befürchtete
enge Verzahnung von Regierung und Zentralbanken bei rein öffentlicher
Geldschöpfung. Sie glaubt, über eine europäische Bankenaufsicht und ein
Trennbankensystem eine ausreichende Kontrolle  zu erreichen. Auch ist
die SPD für Volksabstimmungen auf Bundesebene, also auch über das
Geldsystem.
Für die GRÜNEN  wünscht sich Herr Ringbeck,
dass Vollgeld mehr Zuspruch aus der Wissenschaft bekommt, ansonsten
könne er nicht dafür eintreten. Die Wirkungen seien noch nicht genug
ausgelotet, es brauche dafür eine exakte, analytische Darstellung. Herr Schick hält
die „flexible“ Geldschöpfung für notwendig. Bei starrer Geldmenge (die
er bei Vollgeld zu sehen glaubt) sei ähnlich wie beim Goldstandard die
Verarmung der Gesellschaft zu befürchten. „Flexible
Finanzintermediation“ habe zentralen Stellenwert für unseren Wohlstand,
die Kreditgeldschöpfung solle aber nur  für die Realwirtschaft erfolgen.
Bei Vollgeld sei die seiner Meinung nach staatliche Kontrolle von
Kreditvergaben nicht gut, die Notenbank habe eine zu starke Stellung und
sei deshalb korruptionsgefährdet, und eine produktive Verwendung von
Vollgeld-Krediten sei nicht gewährleistet.  Der Vollgeld-Ansatz sei
interessant, aber derzeit nicht anschlussfähig. Frau Paus hält
das zweistufige Bankensystem für ein konstitutives Element unserer
Gesellschaft. Eine Änderung wäre für sie ein Jahrzehnte-Projekt.
Kurzfristig hält sie eine Schuldenbremse für Banken notwendig.  Vom
Vollgeld-Ansatz ist sie nicht überzeugt. Auch Herr Gastel hält
private Geldschöpfung nicht für prinzipiell problematisch, schließt
sich ansonsten der Argumentation von Herrn Schick an. Eine Stellungnahme
der Arbeitsgruppe Wirtschaft/Finanzen der Grünen zu Vollgeld sei in
Vorbereitung.
Für die CSU zeigt Herr Göppel Interesse
am Vollgeld, braucht aber noch mehr Informationen dazu. Er interessiert
sich auch für das IWF-Gutachten zu 100%-Geld.  Für die CDU bezieht sich Peter Hintze
auf die Ablehnung einer Petition von Marian Löhr aus dem Jahr 2011 zu
100%-Geld durch den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags. Die
damalige Begründung führt aus, dass durch die Vollgeldreform eine
Kreditklemme zu befürchten sei, und dass auch die Existenz der
Geschäftsbanken und die Funktion des Zahlungsverkehrs gefährdet sei. Die
Reform führe angeblich zu einer „staatlichen Bankenwirtschaft“, die im
Widerspruch zur sozialen Marktwirtschaft stehe.  Die Herren Flossbach, Wadephul und Kampeter
beziehen sich in ihrer Ablehnung von Vollgeld auf eine Stellungnahme
des Finanzministeriums auf dem Jahr 2013. Die dort genannten
Ablehnungsgründe sind:  Die Reform führe angeblich zur Enteignung der
Halter von Staatsanleihen, sie bringe eine Einschränkung der Effizienz
der Kreditvergabe von Geschäftsbanken an Unternehmen, sie gefährde die
Unabhängigkeit der Zentralbank, da permanente Verhandlungen der
Unternehmen mit der Zentralbank zur Geldausstattung der Wirtschaft
stattfinden würden, an denen sich schließlich auch die Regierung
beteiligen müsste. Mit den vorhandenen Instrumenten könnten die
Zentralbanken die Geldmenge und  das Preisniveau wirksam kontrollieren. 
Herr Meister hat eine eigene Stellungnahme
geschrieben, in der er betont, dass die Geldschöpfung nur eines von
mehreren Elementen gewesen sei, die die Finanzkrise ausgelöst haben. Er
meint, dass im Vollgeldsystem die Geldpolitik von der Zentralbank auf
die Regierung übertragen werde und nur durch diesen „Trick“ die
Staatsschuld verringert werde. Die Neuordnung von Institutionen, die
sich mit Geldpolitik befassen, scheint ihm unklar. Auch befürchtet er
bei Vollgeld eine Kreditklemme insbesondere für mittelständische
Unternehmen. Sein Weg zur Krisenbewältigung ist die Sanierung der
Staatshaushalte inkl. Schuldenbremse für die Zukunft. Er beobachte aber
die wissenschaftliche Diskussion zum Vollgeld genau, um die Folgen zu
analysieren.

Erster Kommentar von MONETATIVE e.V.:  Erstaunlich ist,
wie großes Vertrauen den Banken von den meisten Abgeordneten/Kandidaten
noch  entgegengebracht wird, trotz Finanzkrise, trotz Zinsmanipulation,
trotz teurer „alternativloser“ Banken-Rettungsprogramme.  Auch die
angebliche Flexibilität und Effizienz des jetzigen Systems der
Kreditvergabe wird nach wie vor hoch eingeschätzt, auch von den
Oppositionsparteien SPD und GRÜNE. Die größten Zweifel scheinen die
LINKEN zu haben, setzen jedoch ihren derzeitigen Schwerpunkt nicht auf
eine grundlegende Reform der Geldschöpfung, sondern auf die
Vergesellschaftung von bisher privaten Banken. Interessant ist aber
auch, wie viele Politiker sich inzwischen mit der Idee des Vollgelds
(oder was sie dafür halten) auseinandergesetzt haben, vermutlich vor
allem durch die Berichterstattung über das IWF-Gutachten zum 100%-Geld.
Bei einigen besteht durchaus Interesse an der Idee des Vollgelds und sie
befinden sich in einer Phase der „interessierten Beobachtung“.  Da
werden wir als Monetative e.V. nach den Wahlen ansetzen!  

Zusammenfassung und Kommentar: Klaus Karwat

Europawahl 2024: Der Digitale EuroZur Analyse
+ +