Nachfolgend lesen Sie einen Auszug aus dem Buch “Utopia2048” vom ehemaligen Monetative-Vorstandsmitglied Lino Zeddies zum Geldsystem der Zukunft. Mehr zum Buch und Autor finden Sie hier.
Setting: Lena und Damian sind nach einem fast 30-jährigen Komaschlaf im Jahr 2048 aufgewacht und bekommen von Damian eine Führung durch die Welt dieser Zukunft. Gerade besichtigen sie Berlin.
Jannis rieb sich das Kinn. »Du hast uns ja eben schon von den gelosten Bürgerräten erzählt. Hat sich eigentlich noch mehr am politischen System verändert?«
»Es gibt mittlerweile ein Ministerium für Demokratie und Gemeinschaft.«
»Ui. Das klingt aber bedeutsam.« Lena verzog anerkennend die Mundwinkel. »Und was passiert da so?«
»Das Ministerium ist erstens für die Weiterentwicklung der demokratischen Strukturen zuständig und zweitens für die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Zivilgesellschaft. Eine Verfassung und formale demokratische Strukturen zu haben ist eine Sache, aber diese mit Leben zu füllen und kontinuierlich weiterzuentwickeln eine andere. Das Ministerium finanziert daher Forschungsprogramme zu Demokratieinnovationen, macht Experimente auf kommunaler Ebene, untersucht die politischen Systeme in anderen Ländern und mischt auch bei der demokratischen Bildung mit.«
»Klingt sinnvoll. Komisch eigentlich, dass es das früher nicht gab.«
»Ja, finde ich auch. Man hat wohl gedacht, mit der Einführung von Wahlen und Parlamenten sei die Errichtung einer Demokratie abgeschlossen. Aber natürlich wird die Welt immer komplexer. Damit die Demokratie mit dieser Entwicklung Schritt halten kann, braucht es kontinuierliche Anpassungen und Weiterentwicklungen der demokratischen Institutionen. Beispielsweise gibt es neben Exekutive, Judikative und Legislative mittlerweile eine vierte staatliche Gewalt: Die Monetative.«
»Die Monetative?«, fragte Lena irritiert. »Was ist das denn?«
»Die Monetative ist dafür zuständig, dass die Gesellschaft mit ausreichend Geld versorgt wird. Diese Institution ist ähnlich wie die Zentralbanken früher, hat aber zusätzlich das Geldschöpfungsmonopol auf digitales Geld.«
Lena schaute ihn fragend an und er fuhr fort. »Zu eurer Zeit hatten der Staat beziehungsweise die Zentralbank zwar das alleinige Monopol, Münzen und Papiergeld zu erzeugen, aber das meiste Geld hatte eben keine physische Form mehr, sondern befand sich auf digitalen Konten. Diese Guthaben, die ihr auf dem Bankkonto hattet, wurden von privaten Banken bei der Kreditvergabe geschaffen. Ein völlig absurder Zustand, der in schöner Regelmäßigkeit Finanzkrisen erzeugt hat.«
»Ich verstehe nur Bahnhof«, sagte Lena.
»Heutzutage ist es ganz einfach. Die Monetative allein erzeugt das gesamte Geld. Egal ob in der Form von Metall, Papier oder digitalen Guthaben. Das sind sozusagen nur noch verschiedene Aggregatzustände des Geldes.«
»Aber das war früher nicht so?«, fragte Lena.
»Nein«, sagten Jannis und Damian gleichzeitig. Jannis übernahm das Wort. »Zu unserer Zeit waren die Guthaben auf deinem Bankkonto nur Versprechen der Bank auf Bargeld. Du hattest damit einen Anspruch, dass die Bank dir am Bankautomaten dafür Bargeld auszahlt. Aber diese Guthaben waren eben nur ein Versprechen und kein offizielles Geld.«
Lena blickte immer noch skeptisch und Damian half nach: »Ich versuche es mal mit einem Beispiel. Angenommen, ich kaufe dein Fahrrad für zweihundert Euro. Aber statt direkt bar zu bezahlen, sage ich dir, dass ich dir das Geld erstmal nur schulde und dir bar auszahle, sobald du das verlangst. Dann hast du eine Art Guthaben bei mir. Dieses Versprechen von mir ist aber kein richtiges Geld, oder?« Lena nickte und Damian fuhr fort. »In gleicher Weise waren eben auch die Guthaben bei einer Bank nur ein Versprechen auf richtiges Geld, nämlich Bargeld. So wie ich auch einen Schuldschein ausstellen könnte auf dem steht, ich schulde dir zweihundert Euro, so konnten die Banken per Klick neue Bankguthaben erzeugen.«
»Okay, verstehe.«
»Bei dem Beispiel eben würdest du von mir wohl früher oder später die Auszahlung meiner Schulden verlangen. Doch bei den Banken war der Witz, dass man deren Versprechen behandelt hat, als wäre es richtiges Geld. Bei unserem Beispiel wäre das, als wenn du mit meinem Schuldschein im Supermarkt bezahlen könntest und der Supermarkt dann damit seine Mitarbeiter bezahlt und so weiter. Dann müsste ich meine Schuld nie wirklich einlösen. In gleicher Weise mussten die Banken früher den größten Teil ihrer Schulden auch nie bar auszahlen.«
Lena nickte. »Ich glaube, ich verstehe langsam.«
»Ja, verrückt oder? In der Regel hatten die Banken auch viel weniger Bargeld im Tresor, als sie ihren Kunden Guthaben, also Ansprüche auf Bargeld, geschuldet haben. Die entsprechenden Bargeldreserven lagen oft nur bei etwa zwei bis fünf Prozent. Daher gab es in Krisen auch das Problem mit Bank-Runs. Denn sobald die Leute das Vertrauen verloren und massenhaft versuchten, ihr Geld abzuheben, kamen die Banken sehr schnell in Schwierigkeiten. Wenn der Staat nicht rettend eingriff, brach das ganze Finanzsystem in Kürze zusammen.«
»Und das war legal?« Lena schaute ungläubig.
»Man kann wohl eher von Gewohnheitsrecht sprechen, als dass dieses System irgendwann explizit beschlossen wurde«, erklärte Damian. »Aber diese Macht der Geldschöpfung war natürlich ein riesiges Privileg für die Banken und eine Heerschar an Lobbyisten hat dafür gekämpft, dass das System lange so blieb und nicht hinterfragt werden durfte.«
»Naja. Ganz so negativ muss man das alles nicht sehen.« Jannis blickte ernst. »Geld war schon immer Kredit, und die Geldschöpfung der Banken ermöglicht eine dynamische Wirtschaft, Innovationen und Arbeitsplätze.«
Damian guckte ihn verwundert an. »Ist das dein Ernst? War das früher das Narrativ?«
»Was heißt hier Narrativ?«, sagte Jannis verärgert. »Das war die Analyse der meisten führenden Ökonomen.«
Damian zuckte mit den Schultern. Dann fuhr er fort: »Das neue System hat sich jedenfalls sehr bewährt. Die Vorteile der Verstaatlichung des Geldes sind gigantisch. Banken können seitdem Pleite gehen, ohne den Rest der Ökonomie in Mitleidenschaft zu ziehen. Das ganze Finanzsystem konnte stark vereinfacht und dereguliert werden. Finanzkrisen gab es seit der Geldreform übrigens keine mehr. Die Staatsverschuldung konnte massiv gesenkt werden. Die Einkommensverteilung ist viel besser. Nachhaltigkeit ist finanzierbar, es gibt keinen Wachstumszwang mehr und allgemein ist endlich mehr Geld da für die wichtigen und schönen Dinge. Die Geldreform hat im Zusammenspiel mit einigen anderen Reformen einiges ins Lot gerückt.« »Wenn das alles so gut funktioniert mit dem Vollgeld, ist das ja erfreulich«, sagte Jannis. »Hätte ich nur nicht gedacht.«
Lena hob zaghaft einen Finger und sagte mit leiser Stimme: »Kann mir nochmal einer erklären, was jetzt Vollgeld heißt?«
Damian nickte. »Wenn du jetzt digitale Euro-Guthaben hast, dann ist das kein Schuldversprechen einer Bank mehr, sondern dein vollwertiges Geld. Vollgeld eben. Und dieses Vollgeld wird allein von der staatlichen Währungsbehörde, der Monetative erzeugt. Je nachdem wie die wirtschaftliche Lage ist, mal mehr mal weniger.«
»Okay, ich glaube das verstehe ich jetzt einigermaßen. Aber ich habe echt gedacht, dass das früher schon so funktioniert hat, wie du es jetzt beschrieben hast. Dass die Zentralbank das ganze Geld erzeugt.«
Damian schüttelte den Kopf. »Nein. Früher hatten Staat und Zentralbank wie gesagt nur das Monopol auf das Bargeld, wohingegen die elektronischen Guthaben von Banken erzeugt wurden.«
Das musste Lena erstmal verdauen und schwieg. Noch einen Moment betrachteten sie gemeinsam das Panorama Berlins und machten sich dann wieder an den Abstieg von der Kuppel.
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