Schluss mit der Privatisierung unseres Geldes!
Die Ankündigung von Facebook, bald das neue Geld Libra in Umlauf zu bringen, hat intensive politische Diskussionen ausgelöst. Die neue EZB-Chefin Christine Lagarde hat angekündigt, bis Mitte 2020 Vorschläge zur weiteren Ausgestaltung unseres Geldsystems zu präsentieren, das sie an einem historischen Wendepunkt sieht. Die zentralen Fragen dabei sind: Wer darf das neue digitale Geld herausgeben? Welche Auswirkungen hat das auf Banken, Wirtschaft und Gesellschaft?
Privates oder öffentliches Geld – die Frage ist nicht neu
Vor ca. hundert Jahren wurde in europäischen Staaten entschieden, dass nur noch Zentralbanken Geldscheine drucken dürfen – vorher waren das private Banknoten. Diese wurden dann durch die Scheine der Zentralbank ersetzt – niemand stellt das heute mehr in Frage. Allerdings ist Bargeld heute nicht mehr das dominierende Geld – das ist mittlerweile das von privaten Banken per Kredit erzeugte und digital auf unseren Bankkonten gespeicherte Giralgeld, das ca. 95 % unserer Geldmenge ausmacht. Trotzdem bleibt das öffentliche Bargeld zumindest formal das rechtliche Rückgrat unseres Geldsystems. Es hat aber einen Nachteil: Es existiert für uns Geldbenutzer nicht in digital speicherbarer Form, sondern nur in Form von Geldscheinen, die für viele Zahlungen unpraktisch sind: Niemand bekommt sein Gehalt mehr in der Lohntüte, niemand bringt seinem Vermieter Bargeld im Umschlag vorbei. Nicht mal der Staat selbst wird heute mehr mit Bargeld für seine Steuern und Gebühren bezahlt. Diese Praxis wurde vom Bundesverwaltungsgericht im März 2019 als rechtswidrig bezeichnet – demnächst urteilt hierzu noch endgültig der EuGH. Zugang zu digitalem Zentralbankgeld, das gleichwertig zu Bargeld ist, haben heute exklusiv nur die Banken und der Staat. Uns als Geldbenutzer bleibt gar nichts anderes übrig, als privates Bankengeld zu nutzen!
Heute sprießen neue private Krypto-Gelder wie Pilze aus dem Boden
In dieser kritischen Situation entsteht jetzt eine weitere Geldart: Neues digitales Geld, das auch als Kryptogeld oder „Token“ bezeichnet wird. Es kann ohne Bankkonten direkt vom einen zum anderen Computer transferiert und auch noch mit weiteren Informationen ergänzt werden, so dass vorher vertraglich vereinbarte Zahlungen dann ganz automatisch ablaufen. Der erste private „Token“ war Bitcoin, gefolgt von vielen weiteren Beispielen in vielfältigen technischen Formen. Jetzt wollen sich auch große amerikanische „Bigtech“-Firmen dieses Geschäft nicht mehr entgehen lassen (siehe z.B. Libra!). Intensiv wird diskutiert, wer überhaupt diese „Token“ herausgeben darf und was die rechtliche Grundlage dafür ist. Genauso wie vor hundert Jahren beim Bargeld müssen wir uns heute überlegen, ob es nicht besser wäre, dieses neue Geld genauso wie unsere Geldscheine von der Zentralbank produzieren zu lassen. Denn ähnlich wie damals wird heute der Anteil an privat geschöpftem Geld immer größer, der Anteil an öffentlich geschöpftem Geld immer kleiner. In diesem Kontext wird es für die EZB immer schwieriger, Geldpolitik zu betreiben: Die „Quantitative-Easing“- Politik zeigt, dass sie ihre finanzpolitischen Eingriffe immer mehr ausweiten muss, weil ihre herkömmlichen Steuerungsmethoden nicht mehr greifen. Darf sie überhaupt so weit gehen? Werden die Nebenwirkungen genügend beachtet, wie z.B. der rasante Anstieg der Immobilienpreise und die immer höhere Verschuldung? Auch über 10.000 Seiten komplizierteste Vorschriften zur Bankenregulierung belegen, wie schwierig die Steuerung unseres Geldsystems geworden ist.
Wir brauchen ein digitales Geld auch von der Zentralbank
Eine effektive geldpolitische Steuerung darf nicht erst einsetzen, nachdem neues Geld bereits in Umlauf ist, sondern muss schon die Entstehung von Geld genau regeln: Wer darf es emittieren und wie kommt es erstmals in Umlauf? Rechtlich gesehen ist nur gesetzliches Zahlungsmittel echtes Geld, das den Geldinhabern uneingeschränkt gehört – und das ist derzeit in der Eurozone nur Bargeld in Form von Geldscheinen der EZB (siehe Anhang ‘Rechtsgrundlage des heutigen Geldes). Das ist im Zeitalter der Digitalisierung völlig überholt. Vielmehr muss dieser Begriff ausgeweitet werden auf die neuen programmierbaren Arten von digitalem Geld (=Token-Geld), aber auch auf das heute schon auf unseren Konten digital gespeicherte Giralgeld der privaten Banken. Das würde eine Änderung des rechtlichen Rahmens der Europäischen Zentralbank und folglich auch des deutschen Bundesbankgesetzes erfordern. Dann hätten wir alle sowohl Zugang zu digitalem Zentralbankgeld (auf Konten der Zentralbank oder von ihr beauftragten Treuhändern) als auch zu einem „Euro-Token“, den wir auf unseren eigenen Computern speichern und von dort aus transferieren könnten. Bargeld, digitales Zentralbankgeld und „Euro-Token“ wären dann rechtlich gleichwertig und wir könnten diese Geldarten je nach Bedarf und eigenen Vorlieben einsetzen – und damit auch selbst wählen, ob wir öffentliches oder privates Digitalgeld nutzen wollen. Die Risiken von privatem Geld müssten wir dann aber nicht mehr mitfinanzieren (Stichwort Bankenrettungen!).
Neuer Schwung für die Eurozone
Eine solche Erweiterung der Gelddefinition würde auch der Eurozone neuen Schwung verleihen: Die Geld-Innovation „Token“ hätte den von den Banken geforderten verlässlichen Rechtsrahmen und könnte als „Euro-Token“ schnelle länderübergreifende Bezahlvorgänge ermöglichen. Der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Prof.Dr.Thomas Mayer, hat zusätzlich noch darauf hingewiesen, dass durch die Emission von „Euro-Token“ und dem damit verbundenen Zentralbankgewinn auch das Problem überschuldeter Euroländer gelöst werden könnte – dieser Hinweis muss zumindest genauestens untersucht und bei Entscheidungen über zukünftiges digitales Geld in die Abwägung miteinbezogen werden!
Bankruns könnten besser gemanagt werden
In unserem zweistufigen Geldsystem, in dem privates Giralgeld durch öffentliches Bargeld unterlegt wird, besteht immer eine Bankrun-Gefahr: Wenn sich die Bankkunden unsicher fühlen, holen sie sich ihr Bargeld bei den Banken, das es heute gar nicht mehr in dieser Menge gibt. Panik entsteht! Wenn es zusätzlich die Option auf digitales Zentralbankgeld gäbe, könnten die Bankkunden ihr Geld sehr einfach auch digital umtauschen – das dafür notwendige Zentralbankgeld wäre viel leichter herzustellen als Bargeld: Es genügen die notwendigen Einträge in Bank- und Zentralbank-Computern. Die Bankrun-Gefahr wäre deshalb geringer, wenn es auch ein digitales gesetzliches Zahlungsmittel gäbe.
Auch deshalb muss unsere Geldordnung dringend modernisiert werden: Wir brauchen unser gesetzliches Zahlungsmittel auch in digitaler Form, um unser Geldsystem zu stabilisieren und den technische Neuentwicklungen gerecht zu werden! Frau Lagarde und auch Frau von der Leyen sind jetzt gefragt: Machen Sie noch in diesem Jahr konkrete Vorschläge für eine zukunftssichere europäische Geldordnung, die dringend modernisiert werden muss, um den Anforderungen einer digitalisieren Gesellschaft zu genügen!
Rechtsgrundlagen des heutigen Geldes
Artikel 128 Abs 1 Satz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV):
“Die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.”
§ 14 Abs 1 Satz 2 des Bundesbankgesetzes:
“Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.”