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Wirken die geldpolitischen Instrumente der Bundesbank noch?

Kritischer Kommentar zum Artikel der Bundesbank Die Rolle von Banken, Nichtbanken und Zentralbank im Geldschöpfungsprozess, Bundesbank Monatsberichte, 69. Jg, Nr. 4, April 2017, 15–36.     

In ihrem Monatsbericht vom April 2017 beschreibt die Bundesbank zusammen­hängend und zutreffend, wie die Banken pro-aktiv Giralgeld schöpfen (Guthaben auf Girokonten) und die Zentralbank bei Bedarf diese Guthaben nachträglich refinan­ziert.  Veralteten Lehrmeinungen, etwa, die Banken seien Finanzinter­me­diäre, die Zentralbank-Reserven oder Kunden-Giralgeld weiterleihen, wird aus­drück­lich widersprochen. Damit wird faktisch auch das überholte Multi­pli­kator­modell verabschiedet. Klipp und klar wird gesagt, was unsereiner viele Jahre lang vertreten hat: Jede Zahlung von Banken an Nichtbanken erzeugt Giral­geld, jede Zahlung von Nichtbanken an Banken löscht Giralgeld.

Leider bleibt im Artikel der Bundesbank der ein oder andere Aspekt unter­belich­tet. Zum Beispiel wird nicht deutlich erklärt, dass Bargeld im bestehenden Giral­geld­regime nicht mehr System-bestimmend, sondern nur noch eine nachge­ordnete technische Wechselmenge des Buchgelds ist. Nur noch etwa 10% des öffentlichen Geldumlaufs ist Bargeld, 90% Giralgeld. Das hat Folgen fürdie Geld­politik.

Ebenso wichtig: die Bruchteiligkeit (Fraktionalität) der Reservenbasis wird nicht thematisiert, also die Tatsache, dass der Bankensektor, um 100 Euro Giralgeld zu schaffen und in Umlauf zu halten, nur etwa 2,5–3 Euro Zentralbankgeld benöti­gt – davon 1,40 Euro für die Geldautomaten, 10–50 Cents als liquide Interbanken-Zahlungsreserve (Überschussreserve) und 1,00 Euro für die Mindest­reserve­pflicht (die geldpolitisch längst keine Funktion mehr hat, nur noch, in Normal­zeiten, und falls überhaupt, zum Zinsgewinn der Zentralbank beiträgt).

Stattdessen wird gesagt, dass eine Bank für jede Auszahlung Bargeld in voller Höhe benötig und für jede Überweisung zu einer anderen Bank liquide Reserven in voller Höhe. Das ist zwar zutreffend, aber ohne weitere Erläuterung suggeriert es in unzutreffender Weise, das Giralgeld sei voll gedeckt, quasi im Sinn einer 100%-Reserve. Tatsächlich aber besteht nur die extreme Bruchteil-Refinan­zierung des Giralgeldes. Möglich ist dies dadurch, dass die Zahlungsreserven im Interbanken­kreislauf viele Male schneller zirkulieren (häufiger genutzt werden) als das Giralgeld im Publikumskreislauf. Dadurch benötigen die Banken nur für etwa 3% ihrer Geschäfte Zentralbankgeld, während 97% oder noch mehr des Geldes sie nichts kostet – ein fürstliches Privileg, in der Tat eine Quasi-Seigniorage, der freilich die Legitimität fehlt.

Trotz oder gerade wegen dieser Zusammenhänge verwendet der Bundesbank-Artikel etliche Seiten darauf, zu erklären, warum die Zentralbanken durch ihre Leitzinspolitik die Lage gleichwohl im Griff hätten. Was sollte eine Zentral­bank sonst sagen? Aber wer soll das noch glauben? Aufgrund der pro-aktiven Giral­geld­schöpfung der Banken ist eine Geldmengenpolitik schon lange nicht mehr möglich und folglich aufgegeben worden. Der Monetarismus war zum Scheitern verurteilt, weil er von falschen Annahmen ausging, darunter eine Transmissions­wirkung durch vermeintlich vor-gegebene Reserveposi­tio­nen.

Auch die kurzfristige Zentralbank-Zinspolitik ist längst zu einem schwachen Instru­ment geworden mit kurzem oder gar keinem Transmissions-Hebel mehr. Wo, jenseits der Interbanken-Reservenleihe, sollte eine Transmis­sions­wirkung auf das Giralgeld und den öffentlichen Geldkreislauf denn her­kommen, wenn nur noch 10% des Geldumlaufs aus Zentralbankgeld besteht (hier Bargeld) und nur 2,5–3% des Giralgeldes der Banken oder weniger refinanziert zu werden brauchen? In begrenztem Rahmen wirksam ist nur noch die büro­kratische Preis­admini­stration etlicher Banken, wenn sie ihre Zinsen für Überziehungs- oder Hypothekarkredit festsetzen in Anlehnung an einen zurück­liegenden Inter­banken­zins (z.B. EONIA) plus Aufschlag. Allein das ‘unkon­ven­tionelle’ massive Quantitative Easing (Monetisierung von Staatsschulden und ggf auch anderen Schuldverschreibungen) zum Zweck der Zinsrepression hat noch Wirkungen – wenn auch höchst fragwürdige.

Ungeachtet dieser Kritik stellt die Publikation der Bundesbank einen will­kom­menen, quasi amtlichen ‘Leitartikel’ dar, um die in Sachen Geldschöpfung gänzlich verstaubten Lehrtexte auf die Höhe der Zeit zu bringen.

Joseph Huber

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