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Österreichische Diskussion über Geldreform in Seitenstetten

Im Bildungszentrum Seitenstetten fand vom 12. – 14.5. eine Dialogveranstaltung mit dem Titel “Schritte in Richtung friedensfähige Geldordnung statt. Hier ein Auszug aus den Aufzeichnungen:

Podium Nachhaltige Geldordnung

Kathrin Latsch MONNETA Hamburg, Univ. Prof. Mag. Dr. Gerhard Senft, WU Wien, Mag. Dr. Marianne Schallhas, Arbeitsgemeinschaft Gerecht Wirtschaften und Univ. Prof. Dr. Richard Werner, Southampton, stellten vor wie Schwierigkeiten in der Finanzarchitektur entstanden sind und in welche Richtungen Auswege gefunden werden könnten. 

 

Kathrin Latsch sprach über Chancen von mehr an Vielfalt bei den Geldsystemen. Über 90% allen Geldes entsteht durch Kredite, geschöpft bei privaten Banken. Dieses Quasi-Monopol sollten wir brechen, u. a. weil es ist nicht demokratisch kontrolliert ist. Wir brauchen Alternativen. Es stimmt nicht, dass man nichts machen kann: Man kann z.B. bei einer Regionalwährung wie „WIR GEMEINSAM“ mitmachen, sich bei der Gemeinwohl-Ökonomie engagieren, oder die Gemeinwohl-Bank unterstützen.

Derzeit müssen in jeder betriebswirtschaftlichen Investition Kapitalrenditen angerechnet werden. Die Kapitalgeber werden systematisch bevorteilt. Es kommt zu: „Wer hat, dem wird gegeben“ – Leute die Wirtschaftswissenschaften studiert haben, verstehen das zu wenig!

Wir brauchen Wachstum an Wissen!

Die Finanzwirtschaft ist ca. 10-mal so groß wie die Realwirtschaft. Dabei entsprechen die Geldvermögen den Schulden, denn Geld entsteht durch Kredit! Die Schulden weltweit betragen 200 Billionen US Dollar.

Ist es eine gute Nachricht, dass die Schulden der Banken relativ zu den Schulden der Staaten und der privaten Haushalte abgenommen haben? Sie sind bei den Staaten gelandet!

Die Bitcoin-Währung ist eher kritisch zu betrachten, die dazu angewendete Blockchain-Technik ist dagegen als positiv zu werten, da sie dezentral, transparent und manipulationssicher ausgeführt werden kann.

 

Gerhard Senft erzählt, dass Adam Smiths Überlegungen mit der Kritik am Merkantilismus begonnen hätte (er stimmt ihm nicht zu, sieht aber Entwicklung durch Kritik.)

Der Euro ist eine große Monopolwährung – Krisen entstanden durch einen zu raschen Einigungsprozess. In den USA dauerte das Ringen für einen gemeinsamen Dollar 100 Jahre.

Es gibt Beispiele aus dem 20. Jhd. dafür, dass Währungsunionen zerfallen sind, wo die Basis gefehlt hat.

Überfluss an Geld bringt überhaupt nichts! Im Dezember 2015 betrug der Umsatz an weltweit gehandelten Derivatpapieren 493 Billionen Dollar, während die globale (reale) Wirtschafts-leistung im ganzen Jahr 2015 rund 73 Billionen Dollar ausmacht. Dies zeigt die Größenordnung der in Gang befindlichen Spekulationsbewegungen.

 

Wir brauchen neue Rahmenbedingungen gegen den Hochfrequenzhandel und können auch beim Bestehenden anfangen.

Derivatehandel kann ja auch sinnvoll sein, z.B. für Fluggesellschaften, wegen des Ölpreises.

Wir brauchen große politische Visionen.

 

Richard Werner studierte 12 Jahre lang das japanische Wirtschaftssystem, konnte Probleme im Voraus erkennen und erklären, da er die Machenschaften der Zentralbanken und ihren Enfluß auf den Bankkredit analysierte. Geld sollte für echte, positive Werte geschöpft werden. Es gibt Probleme, wenn Geld für noch mehr schädlichen Konsum oder für das Recht Vermögenswerte zu kaufen geschöpft wird. Letzteres schafft die Blasen und Bankenkrisen.

Durch Kreditschulden für Finanztransaktionen muss der Preis der Ware ansteigen. Es kommt zur Pyramidensituation – sobald der Preis stoppt, bricht alles zusammen. Bisher haben Zentralbanken diese Zyklen erzeugt, doch könnte Kreditlenkung, z.B. durch ein Verbot für unproduktive Geldschöpfung, diese Blasen und Krisen leicht vermeiden und stattdessen könnten echte Werte finanziert werden. Warum wird das so nicht gemacht?

40% der Kreditausweitung in Spanien und Irland gingen nicht ins BP!

Wurden Krisen bewusst erzeugt? Der heutige Negativzins macht die Kleinbanken kaputt, den Großbanken geht es gut, weil sie spekulieren können. Bezüglich Lösungen erklärte Prof. Werner, dass man die Geldproduktion und –Verteilung in die Hand der Bürger geben müsse, was am Besten in Deutschland durch die 1500 Genossenschaftsbanken und Sparkassen umgesetzt wurde – daher viele Kredite an kleine und Mittelständische Unternehmen und wenig Spekulationskredite in Deutschland, warum in den letzten 80 Jahren auch keine Finanzblase und einheimische Bankenkrise in Deutschland stattfand. Prof. Werner warnte vor Abschaffung des Bargelds, Abschaffung der Bankkreditschöpfung und Einführung von zentralem ‚Vollgeld‘, da dies die Macht der Zentralbanken erhöht, die planen, das Geldmonopol zu erhalten und uns einen Geld-Mikrochip unter die Haut zu pflanzen, was sie mit der Einführung des ‚uneingeschränkten Grundeinkommens‘ verkaufen möchten.

 

Die Frage nach dem „Feind“ führte in einem Pausengespräch zur Gegenfrage: „Ist er überhaupt ein Mensch?“

Es gibt Hinweise darauf, dass er die Ersatzbefriedigung jener Menschen ist, welche den Sinn ihres Lebens, auf Grund ihrer unvorstellbar großen Vermögen, in ihrer Überlegenheit gegenüber der Politik sehen und diese erhalten möchten. 

 

Marianne Schallhas ging auf das vom Moderator Alfred Strigl zitierte Wort von Hölderlin ein: ‘Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch’. Es gibt bereits eine Reihe zukunftsweisender Reformvorschläge für ein friedensfähigeres Geldsystem. Diese sollten dringend wissenschaftlich ausgewertet und weiterentwickelt werden. Wünschenswert wäre ein subsidiäres Geldsystem, das sowohl auf die Bedürfnisse der Regionen wie auch auf die Erfordernisse im nationalen und globalen Bereich abgestimmt ist. Frau Schallhas ging anhand des ‘Gewaltdreiecks’ des Friedensforschers Johan Galtung auch auf Strategien zur Überwindung von direkter, kultureller und struktureller Gewalt ein (nachzulesen z.B. im Ausstellungsführer “Segen und Fluch des Geldes” auf www.arge-gerecht-wirtschaften.at) und verwies auf den “Movement Action Plan” von Bill Moyer (https://www.buergergesellschaft.de/praxishilfen/kampagnen-und-aktionen/phase-ii-die-analyse/exkurs-der-movement-action-plan/). Wir brauchen Mut zur Utopie, sollten mehr anstreben, als erreichbar zu sein scheint.

 

Podium zur Vorstellung der Monetative

 

Das „Vollgeldkonzept“ – Geldschöpfung als Privileg des Staates, wurde von Dr. Raimund Dietz, Monetative A, Thomas Betz, Monetative D und Ewald Kornmann, Vollgeld Schweiz vorgestellt. Siehe www.monetative.at  https://www.monetative.de  www.vollgeld.ch

Raimund Dietz und Thomas Betz ergänzten einander in der Darlegung.

Geldschöpfung ist ein außerökonomischer Akt. Daher steht sie nur dem Souverän – einer unabhängigen Zentralbank – zu. Sie sollte dem Gemeinwohl verpflichtet, aber absolut unabhängig agieren (wie etwa der Verfassungsgerichtshof) und in den Rang einer vierten Macht im Staate, neben die Legislative, Exekutive und Judikative gehoben werden. Wirtschafts­subjekte, auch Banken, sollen nur normale Geldgeschäfte – Kauf und Verkauf, Kredit und Investments – auf ihre Verantwortung betreiben. Dabei soll jedoch kein Geld entstehen. Geldschöpfung und Geldverwendung würde dann getrennt sein. Das würde das ganze Finanzsystem beruhigen und auf ein vernünftiges Maß zurückführen.

Geld muss in einer bestimmten Menge vorhanden sein. Daher muss es von irgendwoher kommen. Modernes Zeichengeld (Papier- und Buchgeld) kann faktisch kostenlos und unbegrenzt geschöpft werden. Wer, wenn nicht der Souverän, soll für die Steuerung der Geldmenge verantwortlich sein? Außerdem: Die Schöpfung von Zeichengeld führt zu einer kostenlosen Kaufkraftaneignung. Dieses Vorrecht steht nur dem Souverän zu. Die Instabilität der historischen Geldsysteme beruht vor allem darauf, dass diese Grundregel nicht eingehalten wird. Das heutige Geldsystem ist gespalten. Das eigentliche, legale Geld (Banknoten und Münzen) macht nur mehr Bruchteile aus. Über 90% der Geldmenge sind Buchgeld, geschaffen von Banken.

Daher ist die Geldschöpfungsmacht, die nur dem Souverän – einer unabhängigen, und demokratisch zu legitimierenden Institution zusteht, den Geschäftsbanken zugefallen.  Mit schlimmen Folgen, wie die Finanzkrise, die noch lange nicht überwunden ist.

Unter Vollgeldbedingungen wäre das Geld (M1) völlig sicher. Das Geld würde schuldenfrei in die Wirtschaft kommen, die Gesellschaft würde viel weniger von Schulden bedrückt sein. Dem Staat, nicht den Banken, würde der Geldschöpfungsgewinn zufallen. Beim Übergang des alten zum neuen System würde ein Geldschöpfungsgewinn anfallen, der so hoch wäre, dass ein Großteil der Staatschulden getilgt werden könnte. Banken würden wie bisher agieren. Vollgeld bedeutet keine Zentralisierung des Kreditwesens! Es sei mit den liberalen Grundsätzen einer Gesellschaft voll kompatibel.

Das Konzept erfreute sich zunehmenden Interesses. Es gibt bereits in mehr als 25 Ländern eine Vollgeldbewegung.

Raimund Dietz auf die Frage zur Sicherheit von Sparguthaben und anderen Geldvermögen: Diese seien nie ganz sicher, weil die Zukunft nicht sicher ist.

 

Ewald Kornmann (Schweiz) erzählte von der Vollgeld Initiative Schweiz: In der Schweiz haben sich ca. 130.000 Menschen für dieses Konzept ausgesprochen. Es wird bald zu einer Volksabstimmung kommen. Es gibt hier 55 Mitarbeiter, ehem. Politiker, Leute aus dem IT- und auch Bankenbereich. Man hat sich tolle Ideen einfallen lassen, um das Konzept unter die Leute zu bringen. Man ließ z.B. ein aufblasbares riesiges rotes Sparschwein mit der Aufschrift: „Nur echte Franken für mein Konto!“ durch die Landschaften schweben.

Das gesamte Protokoll finden Sie hier.

 

 

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