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Nachruf auf Prof. Hans Christoph Binswanger

Der Volkswirtschaftler Prof. Dr. Hans Christoph Binswanger ist am 18.01.2018 in St. Gallen gestorben. Hansruedi Weber, der Vorsitzende des Schweizer Vollgeld-Vereins “Monetäre Modernisierung” (MoMo) und Mitbegründer der Schweizer Vollgeld-Initiative schrieb folgenden Nachruf:

Mit H.C. Binswanger ist ein großer Ökonom und Humanist gestorben. Seine umfassende kulturelle Bildung ermöglichte ihm einen unorthodoxen Blick auf sein Fachgebiet. Als souveräner Analytiker gehörte er sowohl zu den ersten ökonomischen Vertretern der Nachhaltigkeitsbewegung als auch zu den kompetentesten Kritikern der Wirtschafts- und Geldtheorie. Letzteres war seinerzeit der Grund, warum sich die Initianten der Schweizer Vollgeld-Initiative an ihn wandten und in ihm einen klar denkenden und unbestechlichen Berater fanden.

Im Juni vergangenen Jahres konnten wir ihn zum letzten Mal im Garten des Altersheims besuchen und verbrachten mit ihm zwei anregende Stunden im Schatten eines Baumes. Wir ahnten, dass dies vielleicht das letzte Treffen sein würde.

Schon Jahre zuvor hatten sich unsere Wege gekreuzt: Als junger Student begegnete ich H.C. Binswanger, als er in den frühen 70er Jahren seine Dozententätigkeit an der damaligen Hochschule St. Gallen aufnahm. Zum ersten persönlichen Kontakt kam es, als er das Korreferat zu meiner Diplomarbeit übernahm.

Mitte der 80er Jahre erschien seine aufsehenerregende Arbeit über den Teil II von Goethes Faust. Sie und später die Publikationen „Geld und Natur“ sowie „Geld und Wachstum“ zeigten uns deutlich, dass hier ein Denker am Werk war, der nicht nur die Lücken und Mängel der gängigen Theorien erkannte – das Geld, das unbekannte und verkannte Wesen –, sondern auch wusste, wie man die „Wachstumsspirale“ bändigen kann.

Nach der Finanzkrise war für uns deshalb klar, mit wem wir das Unbehagen über das herrschende Geldsystem besprechen wollten. 2010 trafen wir uns mit H.C. Binswanger und einigen Gleichgesinnten zu einem ersten Gedankenaustausch. Daraus ergaben sich zahlreiche weitere Gespräche, die letztlich zur Formulierung der Vollgeld-Initiative führten. Dabei lernten wir H.C. Binswanger als offenen und humorvollen Menschen mit einem unglaublich breiten Wissen kennen. Zu Recht wurde er deshalb vom ehemaligen Rektor der Universität als „ökonomischer Humanist und humaner Ökonom“ bezeichnet. Auch im wissenschaftlichen Beirat der Vollgeld-Initiative brachte Hans Christoph immer wieder seine wertvollen Erfahrungen und Einsichten ein.

Leider musste er sich dann aufgrund zunehmender Altersbeschwerden schrittweise zurückziehen. Dennoch blieben wir in Kontakt und freuten uns darüber, dass er – trotz körperlicher Beschwerden – anderweitig am wissenschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen konnte. In der Geldreformbewegung ist H.C. Binswanger jedenfalls ein Ehrenplatz sicher.

H.C. Binswangers Ideen und Arbeiten sind jedoch nicht nur für die Geldtheorie inspirierend und der Zeit voraus. Ganz zentral sind auch seine Beiträge zum Thema Ökologie und Nachhaltigkeit. Obwohl die Lektüre z.B. seines Spätwerkes „Die Wachstumsspirale“ anspruchsvoll ist, sind seine Schlussfolgerungen in der Regel klar, konstruktiv und wegweisend. Das Inhaltsverzeichnis eines seiner letzten Bücher „Vorwärts zur Mässigung“ liest sich deshalb wie ein umfassendes Wirtschafts- und Gesellschaftsprogramm für kommende Generationen: „Neustrukturierung des Geldsystems; Nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensverfassungen; Langfristige Sicherung der Ernährungsgrundlage; Nachhaltiger Ressourcenhaushalt; Eigentum verpflichtet: Patrimonium statt Dominium; Gemeinschaftsdienste als Ergänzung zu Lohndiensten; Das Subsidiaritätsprinzip im Umweltschutz; Ein ökologischer Rat als Vertreter der Interessen künftiger Generationen.“

Kein Zweifel, H.C. Binswangers Werk wird weiterleben, und kommende Generationen werden auf seinen Gedanken aufbauen können. So wird er uns allen in dankbarer Erinnerung bleiben!

Hansruedi Weber, Ennetbaden

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