Geldschöpfung in öffentliche Hand
Die Wurzel der aktuellen Banken- und Staatsschuldenkrise liegt im Geldsystem. Die finanziellen Gründe der Krise haben eine gemeinsame monetäre Ursache: die sog. multiple Giralgeldschöpfung durch die Banken. Sie dient heute vor allem der Aufhebelung von Geldanlagen und fördert damit Spekulationsblasen ebenso wie Inflation und die Überschuldung vieler Beteiligter, nicht zuletzt die des Staates und der Banken selbst. Finanz- und Realwirtschaft können nur funktionieren auf der Grundlage einer stabilen und gerechten Geldordnung.
Deshalb setzen wir uns ein für
- die Wiederherstellung des staatlichen Vorrechts der Geldschöpfung in der Verantwortung der Zentralbank
- die Beendigung jeglicher Bankengeldschöpfung
- die Inumlaufbringung neuen Geldes durch öffentliche Ausgaben.
Geld regiert die Welt. Wer regiert das Geld?
Alle benutzen Geld, aber die Funktionsweise des Geldsystems bleibt weithin so nebulös wie die Begriffe ‘fraktionales Reservesystem’ oder ‘multiple Geldschöpfung’. Dies liegt im Interesse der Banken. Sie haben die Geldschöpfung den staatlichen Zentralbanken aus der Hand genommen. Die Zentralbanken geben im wesentlichen nur das Bargeld in Umlauf, das je nach Land lediglich 5-20 Prozent der Geldmenge ausmacht. Der Löwenanteil von 80-95 Prozent zirkuliert inzwischen bargeldlos und wird von den Banken in Umlauf gesetzt: per Kredit als Guthaben auf den Girokonten der Kunden.
Zuletzt diente der Großteil der Geldschöpfung nurmehr bloßen Finanzgeschäften, die keinen Nutzen mehr für die Realwirtschaft, aber umso größeren Schaden für sie mit sich brachten. Börsen- und Konjunkturzyklen werden durch die verselbständigte Bankengeldschöpfung verantwortungslos in Extreme getrieben – manisch überschießend in Hochkonjunktur und Hausse, verstockt und depressiv in den nachfolgenden Überschuldungskrisen. Geraten die Banken dabei selbst in Schieflage, stehen die Guthaben der Kunden auf dem Spiel. Verbürgt sich der Staat für bedrohte Guthaben und Banken, werden damit die Verluste der Banken auf die Allgemeinheit abgewälzt, während die Profite privat angeeignet werden.
Die Banken sind keinen gesamtwirtschaftlichen, geschweige denn gesellschaftlichen Zielen verpflichtet. Ihnen die für die Allgemeinheit höchst folgenreiche Aufgabe der Geldschöpfung zu überlassen, ist ordnungspolitisch unvertretbar. In der modernen Gesellschaft ist die Geldordnung Teil der Rechtsordnung, tatsächlich eine Frage von Verfassungsrang.
Staatliches Geld, nicht Verstaatlichung der Banken
Alles Geld soll ausschließlich von einer unabhängigen öffentlichen Stelle geschöpft werden. In der Europäischen Währungsunion fällt diese Rolle der Europäischen Zentralbank und ihren nationalen Mitgliedsbanken zu. Sie sollen endgültig zur Vierten Gewalt im Staat werden: zur Monetative, in Ergänzung der Legislative, Exekutive und Judikative. Die Zentralbank, ähnlich wie die Gerichte, muss unabhängig gestellt und nur dem Gesetz verpflichtet sein – unabhängig gegenüber Begehrlichkeiten von Regierung und Parlament, aber auch gegenüber Forderungen der Banken und anderer Geschäftsinteressen. In einer solchen Geldordnung können auch lokale Komplementärwährungen oder kooperative Verrechnungssysteme ihren Platz haben.
Die angestrebte Reform der Geldschöpfung ist einfach: Die Guthaben auf Girokonten werden zu gesetzlichen Zahlungsmitteln gleich Münzen und Banknoten erklärt. Nur noch das System staatlicher Zentralbanken – die Monetative – ist autorisiert, diese Zahlungsmittel zu schöpfen. Dadurch geschieht mit dem unbaren Geld heute das gleiche wie bis vor hundert Jahren mit den Banknoten. Damals wurden privat ausgegebene Banknoten durch staatliche Zentralbanknoten ersetzt. Heute geht es darum, das instabile und unsichere Giralgeld der Geschäftsbanken zu staatlichem Vollgeld zu machen. Vollgeld steht für ‘vollwertiges gesetzliches Zahlungsmittel’. Das heute nur noch teilweise staatliche Geld (5-20% Münzen und Banknoten) wird so erneut verstaatlicht, nicht aber die Banken.
Regierung und Parlament hätten an die unabhängige staatliche Zentralbank keinerlei Ansprüche zu stellen. Jedoch soll das diskretionär neu geschöpfte Geld zinslos der Regierung überlassen werden, die es durch öffentliche Ausgaben in Umlauf bringt. Zuletzt handelte es sich in der Europäischen Währungsunion um 200-400 Milliarden Euro jährlich, davon in Deutschland 50-100 Milliarden. Das waren 4-8 Prozent des öffentlichen Gesamthaushalts. Dieser Geldmengen-zuwachs war überschießend, aber auch weniger Geld ist immer noch sehr viel Geld, das den öffentlichen Kassen entgeht.
Private und öffentliche Geschäftsbanken können an den Finanzmärkten im gesetzlichen Rahmen weiterhin frei agieren. Lediglich können sie kein Giralgeld mehr schöpfen, sondern nur mit dem Geld operieren, das sie selbst einnehmen oder am Geldmarkt oder von Kunden aufnehmen, und das sie somit bar in der Kasse oder unbar auf ihrem Zentralbankkonto haben.
Die Unterbindung der Bankengeldschöpfung kann auf einfache und reibungslose Weise erfolgen: Die bisherigen Girokonten der Kunden werden aus der Bankenbilanz herausgelöst und separat als Geldkonten in eigenem Recht geführt.
Ein Geldsystem im Interesse der Allgemeinheit
Eine solche Reform hätte fünf bedeutende Vorteile.
- Erstens wäre das Geld sicher, auch ohne Regierungsgarantie, denn unbare Geldguthaben könnten bei Insolvenz nicht mehr verschwinden. Der allgemeine Zahlungsverkehr wäre auch in einer Bankenkrise nicht gefährdet. Politik und Öffentlichkeit wären durch Bankenkrisen nicht mehr erpressbar.
- Zweitens wären der Über- und Untersteuerung des Geldangebots durch die Banken Grenzen gesetzt. Für spekulative Exzesse auf Pump (leverage) ginge den Märkten der allzu billig verfügbare Geldtreibstoff aus. Der Geldfluss würde sich verstetigen, Konjunktur- und Börsenzyklen würden moderater verlaufen.
- Drittens, und im Gegensatz zur heutigen inflationären Geldschöpfung der Banken, hätte die Zentralbank die Geldmenge erstmals unter vollständiger Kontrolle. Sie kann Spekulationsblasen und Preisinflation wirkungsvoll vorbeugen, indem sie die Geldmenge in Übereinstimmung mit dem realwirtschaftlichen Entwicklungspotenzial steuert.
- Viertens käme der laufende Gewinn aus der Geldschöpfung – die Seigniorage – ungeschmälert dem öffentlichen Haushalt zugute, nicht länger den Banken als unverdienter Extragewinn. Ein inflationsneutraler Zuwachs der Geldmenge entspricht dem zu erwartenden Wachstum der Realwirtschaft. So entsprechen nach heutigen Maßstäben 1-2-3 Prozent Wirtschaftswachstum in Deutschland einem Geldmengenzuwachs und somit einer Seigniorage in Höhe von 15 – 30 – 45 Mrd Euro. Damit lassen sich 1,3 – 2,6 – 3,9 Prozent der öffentlichen Gesamtausgaben bestreiten.
- Fünftens, und aktuell von besonderer Bedeutung, ergibt sich die buchstäblich einmalige Gelegenheit, die drückende Staatsschuld in wenigen Jahren in erheblichem Maß abzubauen, geräuschlos und ohne schmerzliche Einschnitte. Denn mit der Reform tritt Vollgeld, das per Seigniorage in Umlauf kommt, an die Stelle des heutigen, verzinslich per Kredit geschöpften Geldes – zum einen des Giralgeldes, darüber hinaus des Interbanken-Giralgeldes sowie der Kreditschulden der Banken bei der Zentralbank. Dieser verzinsliche Bestand an altem Kreditgeld würde im Verlauf weniger Jahre durch Vollgeld substituiert, woraus der öffentlichen Hand einmalig eine entsprechend hohe Übergangs-Seigniorage zuflösse. Damit kann der öffentliche Schuldenstand erheblich verringert werden. Anfang 2011 handelte es sich in Deutschland um Giralgelder in Höhe von 1.109 Mrd Euro, darüber hinaus um Interbanken-Giralgeld von 135 Mrd Euro und per Kredit aufgenommene Guthaben der Banken bei der Zentralbank in Höhe von 80 Mrd Euro, zusammen 1.324 Mrd Euro. Das entsprach knapp zwei Drittel der gesamten Staatsschuld in Höhe von 2.080 Mrd Euro zu diesem Zeitpunkt.
Maßnahmen wie die Wiedereinführung einer Börsenumsatzsteuer oder erhöhte Eigenkapitalquoten der Banken werden nur wenig bewirken, solange nicht die monetäre Ursache der Banken- und Finanzkrisen behoben wird. Deshalb braucht es jetzt eine ordnungspolitische Antwort: Übergang vom Giralgeld zu Vollgeld und endgültige Etablierung der staatlichen Zentralbanken als unabhängige Monetative.