In den Zeiten, in denen Münzen aus Edelmetall die vorherrschende Form des Geldes waren, war deren Herstellung ein hoheitliches Privileg (Geldregal). Dies nutzten die Hoheiten gerne auch als versteckte Steuer: Sie deklarierten den Nennwert höher als den Metallwert. Die Differenz deckte dann die Herstellungskosten und brachte obendrein noch „Gewinn“ (Schlagschatz, Seigniorage). Die Herrschaften delegierten auch die Herstellung von Münzen an nicht hoheitliche Münzstätten beispielsweise von Kaufleuten.
Es waren bald nicht mehr die Kaufleute (z.B. die Fugger und Welser) selbst, die ihre Geldangelegenheiten und die der Hoheiten in der Hand hatten, sondern Bankiers organisierten die Versorgung von Handel und die Produktion. Dabei wurden sie immer erfinderischer darin, das umständliche Handling mit Metallmünzen (Zählen und Wiegen) zu umgehen und bei Metallmangel trotzdem genügend Zahlungsmittel bereitzustellen. Eine neue Form von „Geld“ machte Karriere: Das geschriebene Geld. Der „Taler wanderte“ nicht mehr von Hand zu Hand, sondern Zahlen in Büchern wurden von einem Konto auf ein anderes umgeschrieben. Das hatte es unter italienischen Kaufleuten schon einmal gegeben. Neu waren die Zettelbanken (so hießen sie wirklich), die Banknoten herausgaben mit dem Versprechen, sie auf Wunsch in echtes Geld zu tauschen, das waren immer noch Münzen aus Edelmetall. Ein immer größeres Volumen von Zahlungen jedoch wurde verrechnet, nicht nur unter Kaufleuten, auch unter Banken. Clearinghäuser wickelten die Verrechnungen zwischen Banken metallsparend ab, heute sind es „Echtzeit Brutto Abrechnungssysteme“ (Real-Time Gross Settlement) mit denen Banken die Forderungen und Verbindlichkeiten der Kunden über die Grenzen ihrer Bücher hinaus miteinander verrechnen, ohne eine einzige Münze oder Banknote zu bewegen.
Vor diesem Hintergrund sind Schlagschatz und Seigniorage beim Schaffen von Zahlungsmitteln keine Begriffe mehr, die auf die Kreditwirtschaft angewandt werden können. Zinsspanne und Provision sind die neuen Instrumente, mit denen – nicht mehr die Münzstätten und die Hoheiten – sondern die Banken ihren Gewinn machen. Soll man das „Schreibschatz“ nennen? Auch die Staaten sind von einer Finanzierung über Steuern zur Finanzierung durch Aufnahme von Kredit bei Banken übergegangen.
Mit dem Übergang von der Geldwirtschaft zur Kreditwirtschaft und dem Verlust des „Geldes“ an eigenem Wert und Materialität rücken gleichzeitig einige Wirkungen der schreibenden Schaffung von Zahlungsmöglichkeiten durch ihre Schäden in den Vordergrund. Die Kosten der Allgemeinheit aus sozial unverträglicher, nicht nachhaltiger Kreditverwendung, obszöne Boni und riskante Geschäfte führen zu einer negativen Seigniorage für den modernen Souverän.
Mit der Gemeinwohlökonomie ist ein entscheidender Schritt getan, die Aufmerksamkeit auf den wirklichen Skandal zu lenken, nämlich darauf, dass das meiste von Banken bereitgestellte Geld nur dem Zweck dient, mehr Geld zu machen, ohne dass auch nur für ein menschliches Grundbedürfnis dabei gesorgt wäre. Ihrer dienenden Aufgabe, Handel und Verkehr in einem Wirtschaftsgebiet zu unterstützen werden Banken zunehmend nicht mehr gerecht. Sie unterstützen lediglich Menschen und Unternehmen mit viel Geld dabei, noch mehr Geld zu machen. Das Privileg der Bereitstellung von Zahlungsmitteln müsste ihnen folgerichtig entzogen werden. Zumindest sollten sie sich einer stärkeren öffentlichen, demokratischen Kontrolle unterziehen müssen, welche Geschäfte sie zum Nutzen von wem tätigen und welche Folgen für das Gemeinwohl damit verbunden sind.
In der bayerischen Verfassung ist zu lesen: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten. … Die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen findet ihre Grenze in der Rücksicht auf den Nächsten und auf die sittlichen Forderungen des Gemeinwohls.“
Wenn wenigstens die Kreditbetreuer in ihrer Tätigkeit dafür sorgen würde, dass nur Projekte in diesem Sinne mit den erforderlichen Mitteln versorgt würden, wäre nach der buchhalterischen Tilgung des lediglich „geschriebenen“ Geldes immer noch ein Gewinn, eine Seigniorage für das Gemeinwohl in der Welt.
Hans-Florian Hoyer