Die Bundesbank äußert sich in ihrem Monatsbericht 4/2017 ausführlich zum Thema „Geldschöpfung der Banken“. Dies begrüßen wir, denn so kann weiter mit dem tiefsitzenden Mythos aufgeräumt werden, Banken seine reine Intermediäre, also Vermittler von Geld zwischen Sparern und Kreditnehmern. Die Bundesbank schafft so Klarheit darüber, wie unser Geldsystem tatsächlich funktioniert: Es sind die Geschäftsbanken selbst, die das Geld schöpfen/emittieren, das wir alle benutzen. Ein großer Fortschritt, denn es ist noch nicht lange her, dass sich Experten, die auf die Geldschöpfung der Banken hinwiesen, heftiger Angriffe erwehren mussten.
Bundesbank schreibt über 100%-Geld, nicht über Vollgeld
Auch befasst sich die Bundesbank erstmals öffentlich mit der Idee, den Banken die Kompetenz zur Geldschöpfung zu entziehen. Anders als teilweise dargestellt (z.B. in der FAZ vom 24.4.17: „Bundesbank gegen Vollgeld“) befasst sie sich aber nicht mit der Vollgeldreform, so wie sie demnächst in der Schweiz zur Abstimmung steht und auch vom Verein Monetative e.V. befürwortet wird. Sondern mit dem wesentlich älteren Vorschlag „100%-Geld“, der auf ein Buch des berühmten amerikanischen Ökonomen Irving Fisher von 1935 zurückgeht.
Vollgeld und 100%-Geld sind zwar von der Intention miteinander verwandt, denn beide Vorschläge zielen darauf ab, den Banken die Möglichkeit der Geldschöpfung zu entziehen. Diese Kompetenz soll allein einer öffentlichen Stelle übertragen werden. In einer Vollgeldreform, wie sie seit ca. 10 Jahren diskutiert wird, werden Zentralbankgeld und Bankengeld zu einer Geldart (Vollgeld) zusammengeführt, das nicht mehr als Verbindlichkeit, sondern als Aktivum in den Bank- und Zentralbankbilanzen verbucht wird. Vollgeld existiert als Bar- und als Buchgeld und ist per se vollgültiges gesetzliches Zahlungsmittel. Im 100%-Geld-Vorschlag hingegen soll eine Art von frei schöpfbarem Geld (Giralgeld = Bankengeld) mit einer anderen Art von Geld (Reserven und Bargeld = Zentralbankgeld) gedeckt werden. Das macht gerade heute keinen Sinn mehr, da ja Bargeld nicht mehr mit Gold gedeckt wird (anders als zu Zeiten von Irving Fisher). So argumentiert die Bundesbank dann auch aus unserer Sicht zutreffend, dass eine erhöhte Reservehaltung die Geldschöpfung der Geschäftsbanken gar nicht signifikant einschränkt. Denn es wären ja nach wie vor die Banken, die uns mit Geld versorgen, nicht die Zentralbanken. Diese müssten, wie schon bisher, nur im Nachvollzug dafür sorgen, dass die Banken genügend Zentralbank-Reserven zur Deckung zur Verfügung haben. Kontraproduktiv wird ein solcher Mechanismus, wenn diese Reserven von der Bundesbank verzinst werden, also eine Einnahmequelle für die Banken darstellen.
Mit einer Vollgeldreform hat sich die Bundesbank in diesem Bericht eben nicht befasst, und sie erwähnt den Begriff auch kein einziges Mal. Der Titel des entsprechenden Abschnitts heißt ja „Anmerkungen zu einer 100-prozentigen Deckung von Sichteinlagen durch Zentralbankreserven.“ Dabei verteidigt die Bundesbank das bisherige System, in dem private Banken selbst Geld produzieren.
Dünne Argumente der Bundesbank für Banken-Geldschöpfung
Die Bundesbank führt nur wenige Argumente an, um die Geldschöpfungs-Kompetenz der Geschäftsbanken zu verteidigen:
Da ist zum einen die Behauptung, die Beendigung der Bankengeldschöpfung würde dazu führen, dass die Banken zu keiner Fristentransformation mehr in der Lage seien. Den Begriff „Fristentransformation“ in der Diskussion über Geldschöpfung der Banken zu verwenden, ist aus unserer Sicht irreführend: Es wird der Eindruck erweckt, als würden Kunden ihr Geld mit kurzer Kündigungsfrist einlegen und die Bank dieses Geld langfristig als Kredite weiterverleihen. Das ist ein Denken, in dem Banken als Finanzintermediäre gesehen werden. Dass dies nicht so ist, hat die Bundesbank in ihrem Monatsbericht eindeutig klargestellt. In einem System ohne bankeigene Geldschöpfung können Banken, die die Anlagegewohnheiten ihrer Kunden kennen und genug Eigenkapitalpuffer haben, nach wie vor eine gewisse Fristentransformation betreiben. So wie das heute schon Verwalter von bereits bestehendem Geld machen. Aber sie können nicht mehr ihre sofort fälligen, also kurzfristigen Schulden zu Geld erklären und damit selbst Geld produzieren.
Darüber hinaus spricht die Bundesbank davon, dass die potentiellen Kosten einer Abkehr von der bankeigenen Geldschöpfung höher seien als deren Nutzen. Begründung: Die Banken könnten angeblich, wenn sie selbst kein Geld mehr schöpfen, nicht mehr genug „Liquidität“ bereitstellen. Wo ist der volkswirtschaftliche Nutzen der in Boom-Phasen fast unbegrenzt zur Verfügung stehenden „Liquidität“ der Banken? Ist es der ungehinderte Geldnachschub, um Spekulationsblasen im Immobiliensektor und bei Wertpapieren aufzublasen? Warum fließt nur ein kleiner Teil der Bankkredite in die Realwirtschaft? Gibt es nicht enorme Beträge auf Sparkonten, die von den Banken als Intermediäre weiterverliehen werden können? Gibt es nicht durch das Internet und neue Crowdfunding-Plattformen ganz neue Möglichkeiten, Geld weiter zu verleihen? Und wie viel Geld könnte eine Volkswirtschaft sparen, wenn sie nicht in immer kürzeren Abständen teure Bankenrettungen finanzieren müsste? Theoretisch könnte die Zentralbank in einem Vollgeldsystem die Banken genauso mit Geld fluten wie heute. Sie wird es aber nicht mehr machen müssen! Das liegt daran, dass die Geldproduktion in einem Vollgeldsystem wesentlich stabiler funktionieren wird und auch zielgerechter zugunsten der Realwirtschaft eingesetzt werden kann. Einige Spekulationsgeschäfte werden nicht mehr genügend „Liquidität“ zur Verfügung haben, aber das halten wir für volkswirtschaftlich eher nützlich als schädlich.
Gibt es bessere Instrumente, um Banken zu regulieren?
Die Bundesbank führt an, dass andere Regulierungen besser geeignet seien, um unser Geldsystem zu optimieren. Solche Maßnahmen könnten, wenn noch nötig, auch in einem System ohne Banken-Geldschöpfung angewendet werden, zum Beispiel Eigenkapitalvorschriften für Banken. Aber: Wenn im Geldsystem die Banken für die Geldproduktion zuständig sind und das gesamte System am Kredittropf der Banken hängt, werden sich von den zahllosen Banken-Lobbyisten immer systemische Gründe finden lassen, eine für Banken als lästig empfundene Regulierung zu verhindern. Und da im Krisenfall der Zahlungsverkehr zusammenbricht, werden sie dann immer wieder gerettet, wie es trotz der „Europäischen Bankenunion“ kürzlich in Italien (Monte dei Paschi di Siena) wieder gemacht wurde. So haben die Banken ein Nötigungspotential, das marktwirtschaftlichen Prinzipien widerspricht und das Fundament eines modernen, demokratischen Staatswesens gefährdet. Das Geld, das uns allen dienen soll, darf unserer Meinung nach nicht mehr durch selbst gewinnmaximierende private Akteure bereitgestellt werden.
Wer darf in einer modernen Demokratie Geld schöpfen?
Wir wünschen uns, dass der große Sachverstand der Bundesbank dafür eingesetzt wird, sich intensiver als bisher mit der Frage auseinanderzusetzen: An welcher Stelle ist die Kompetenz zur Geldschöpfung am besten angesiedelt: Bei einer öffentlichen Stelle oder bei privaten Banken. Dazu gehört auch die ernsthafte Beschäftigung mit dem gut begründeten Reformvorschlag Vollgeld. Die im Monatsbericht April 2017 angeführten Argumente beziehen sich auf den Reformvorschlag 100%-Geld aus dem Jahr 1935 (!). Dass so ein Vorschlag nicht mehr unserer Zeit entspricht, ist nicht weiter verwunderlich. Das darf aber nicht als Begründung dafür dienen, eine fundierte Diskussion über die dringend notwendige Modernisierung unseres Geldsystems zu unterlassen. Diese Diskussion muss nicht nur in der Bundesbank, sondern auch in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft geführt werden.
Klaus Karwat, für den Vorstand Monetative e.V.
(Die Stellungnahme als pdf hier)