Von Fr., 31.03. – So., 02.04.2017 fand zum nunmehr 2. Mal das „Vollgeld-Wochenende“ statt, das seit 2016 jeweils im Frühjahr der Monetative Mitglieder-Vollversammlung einen inhaltlichen, kommunikativen und sozialen Rahmen gibt. Hoch über den Dächern von Prenzlauer Berg ging’s im Berliner Veranstaltungszentrum Pfefferberg hoch her unter den 51 Teilnehmern und unter der Einwirkung der ersten Frühlings-Sonnenstrahlen und eines hervorragenden veganen Caterings, das uneingeschränkt und allseits gelobt wurde.
Noch deutlicher als im vorangegangenen Jahr war das Programm offen, flexibel, interaktiv und vernetzungsförderlich gestaltet. So standen Freitagnachmittag und -abend zunächst auch ganz im Zeichen von Begrüßung, Vorstellungsrunde und Kennenlernen. Den inhaltlichen Auftakt bildeten dann ein Einführungsvortrag zur Vollgeldreform für „die Neuen“ sowie mehrere kurze Impuls-Vorträge.
Am Samstagmorgen wurde die Flexibilität dann gleich auf die Probe gestellt: Zwei ursprünglich nur als Workshop-Inputs im Rahmen des 1. OpenSpace-Blocks vorgesehene Beiträge fanden so grossen Zuspruch unter den Teilnehmern, dass es am Vormittag dann – ganz oldschool-mässig – Frontalunterricht für alle gab:
Marius Krüger stellte den Zins und insbes. den Zinseszinseffekt in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen und veranschaulichte dessen Sprengkraft mit dem sog. Josephs-Pfennig: Ein Euro-Cent, im Jahre 0 zu 5% angelegt, hätte 2017 bereits zu einem Vermögenszuwachs i.H.v. 248 Mrd. Goldkugeln von der Grösse der Erde geführt. Der „Umverteilungsmechanismus Zins“ ist für ihn ursächlich für die Eskalation von Geldvermögen und Schulden. In Anlehnung an Bernd Senf ist er auch der Meinung, dass der Zins im Zusammenwirken mit der Geldschöpfungspotentialität der Geschäftsbanken zum Geldmengenproblem führt, aber auch zum Wachstumsdruck, zur sozialen Krise, zur Staatsverschuldung, zur ökologischen Krise und zur Schuldenkrise der 3. Welt.
Dag Schulze verglich die Wachstums- und Verteilungswirkungen von drei Geldsystemen: Das herkömmliche, real existierende, das Vollgeldsystem und das sog. Gleichgewichtsgeld (GGG):
In einem Wirtschaftssystem mit kreditgeschöpftem Schuldgeld bleibt gemäß Schulze der Geldkreislauf nur mit positiven Zinsen und Vermögensrenditen in Bewegung. Daher müssen die Geldmengen und die Geldvermögen im Laufe der Zeit immer
weiter anwachsen, damit der Geldkreislauf gewährleistet ist. Kreditgeschöpftes Schuldgeld führt durch seine Konstruktion aber auch unweigerlich zu Vermögenskonzentration und Polarisation zwischen Arm und Reich. Vermögensrenditen müssten bei Null liegen, um Verteilungsneutralität und Nullwachstum zu gewährleisten und negativ sein, um die Vermögenskonzentration abbauen und die Wirtschaft schrumpfen lassen zu können.
Das von ihm daher favorisierte Konzept des Gleichgewichtsgeldes verbindet gewissermassen die Lösungsvorschläge aus drei Welten: Wie beim Vollgeldkonzept wird auf die Geldschöpfung der Geschäftsbanken verzichtet. Gem. der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens erfolgt eine tägliche Guthabengeldschöpfung mit einem festen Betrag pro Kopf. Und klassisch freiwirtschaftlich ist schließlich das Konzept der automatischen Geldvernichtung per Schrumpfung von Vermögen, progressiv ab einem gewissen Freibetrag.
Die darauf einsetzende Diskussion gestaltete sich erwartungsgemäss deutlich kontrovers und wurde auch noch am Nachmittag weitergeführt. Neben Fragen inhaltlicher bzw. konstruktionstechnischer Natur ging es dabei auch immer wieder um die strategische Ausrichtung der Vollgeldbewegung: Soll sie sich tatsächlich auf das ursprüngliche Anliegen beschränken, um sich nicht zu überfrachten und dadurch auch möglichst anschlussfähig für möglichst viele zu bleiben, oder doch auch mit anderen (durchaus geldreformerischen) Konzepten und Ideen verbrüdern – wie in den Referaten angedacht („Gemeinsam sind wir stark!“).
Der Nachmittag war aber ansonsten gekennzeichnet von OpenSpace-Blocks im ureigentlichen Sinne; d.h. diverse Inputs, (Kurz-)Referate und Diskussionen liefen parallel und wurden erst am Abend im Rahmen einer Fishbowl-Diskussion für alle wieder zusammengeführt. Die Palette könnte bunter kaum sein: Das Fair Finance Institute und das Netzwerk Finanzwende wurden vorgestellt (Markus Duscha), ebenso die Idee eines Staatsfonds aus Vollgeld-Seignorage auf Basis des norwegischen Staatsfonds (Detlef Baer). Weitere Themen waren „Demokratie & Geldreform“ (Ralf Boes), „Euro und Vollgeld“ (Andreas Barke, Jürgen Hecht), „Möglichkeiten der Mitarbeit bei der Monetative“, „Entwicklungen der intl. Vollgeldbewegung“ (Lino Zeddies), „Wie machen wir Vollgeld zum Thema der Bundestagswahl?“ (Klaus Karwat), „Notenbank, bedingungsloses Grundeinkommen und Vollgeld“ (Alfred Reimann), „Konkret wie könnte/sollte Vollgeld eingeführt werden?“ (Thomas Betz), „Analogie der Mengenbilanz und Bilanzierungstechniken“ (Tobias Heinz), „Wie muss die Monetative konkret ausgestaltet werden?“ und weitere Themen, die sich zum Teil spontan ergaben und die ebenso spontan diskutiert wurden.
Im Rahmen der Fishbowl Diskussion „Die Zukunft des Geldsystems“ war man sich darin einig, dass sich die Monetative auch und gerade im Hinblick auf einen weiterhin zu erwartenden Crash inhaltlich schlüssig und auch beizeiten positionieren muss („Dann kommen wir und haben was zu bieten.“, „Krise als Chance!“). Dagegen wurde die Option, im Rahmen der bestehenden Verhältnisse die „Macht“ im klassischen Sinne und mit klassischen Mitteln zu bekämpfen, eher kritisch betrachtet. In absehbarer Zeit sei es durchaus auch denkbar, dass Banken in starke Bedrängnis geraten, durch finanztechnische Innovationen einerseits, andererseits aber auch durch den Umstand, dass z.Zt. Renten-, Staats- und auch andere Fonds schneller wachsen als Banken. In einer solchen Situation sei es sogar vorstellbar, dass „Banken auf uns zukommen, weil sie so noch eine Zukunft haben“. Hoffen lasse auch die Generation der gegenwärtigen Start Ups: Sie sei deutlich aufgeschlossener gegenüber Innovationen jedweder Art im Verhältnis zu vorangegangenen Unternehmergenerationen. Und sowieso gebe es zu Pessimismus keinerlei Anlass: Die Erfolge der Vollgeld-Bewegung, auf nationaler wir auf internationaler Ebene, stellten und stellen bislang alle in sie gesetzten Erwartungen in den Schatten. Das gelte schliesslich und letztlich auch, so die einhellige Meinung, für das sich nunmehr dem Ende zuneigende Vollgeld-Wochenende.
Der kulturelle Höhepunkt des Abends war in diesem Jahr die Vorstellung eines neuen Brettspiels, das Mitglieder unserer holländischen Schwesterorganisation „Ons Geld“ entwickelt haben und das sie mittlerweile auch bereits professionell vertreiben, mit sehr grossem Erfolg zum einen in kommerzieller, aber auch in didaktischer Hinsicht: Im Wortsinne spielerisch werden bis zu sechs Mitspieler mit den Problemen einer Realökonomie konfrontiert, in der auch geldschöpfende und dadurch privilegierte Geschäftsbanken real sind, ebenso wie die durch diese verursachten Krisen, Inflationen, Deflationen, Bankruns und massenhaften Bank-Zusammenbrüche. Nach der – seit der Weihnachtszeit restlos ausverkauften – holländischen Ausgabe ist nunmehr auch eine englische sowie eine deutsche Auflage in Vorbereitung. Unsere holländischen Freunde hatten dankenswerterweise mehrere Exemplare sowie fachkundiges Personal zur Verfügung gestellt. Und so konnte zu später Stund’ an mehreren Spieltischen das tagsüber theoretische Erarbeitete gleich in der Praxis erprobt werden – eine optimale Einstimmung und Vorbereitung auf die Mitgliederversammlung am darauffolgenden Sonntag…