Von Michael Schemmann, 22. März 2013
Freie Übersetzung aus dem Englischen
In alten Zeiten war es einfach. Geld bestand aus Metall; entweder Gold oder Silber, manchmal auch
Kupfer. Seit den Zeiten der Londoner Goldsschmiede-Bankiers ist Geld Papier. Heute ist Geld nur
noch Buchhaltung, nämlich eine Gutschrift auf ein Kundeneinlagen-Konto bei einer Bank. Geld ist
somit ein Abstraktum, eine Schöpfung des Geistes ohne Bezug zur Wirklichkeit.
Ich verstehe den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble recht gut, wenn er sagt, dass
Zyperns Wirtschaft auf einem aufgeblähten Bankensektor beruht, der in keinem Verhältnis zur
realen inländischen Produktion des kleinen Inselstaates steht. Ich kann seine Weigerung zur Rettung
schief geganger Spekulationen der Banken nur weil Zypern das gleiche Geld benutzt wie
Deutschland nachvollziehen … und dass Zypern das deutsche Eigeninteresse daran, das Nest sauber
zu halten, nicht für selbstverständlich halten soll, sondern etwas zur eigenen Rettung beizutragen
hat. Und ich kann Zyprer und ihre Bedenken an einem sog. Haarschnitt ihres Geldes, das in ihren
insolventen Banken liegt, ebenso verstehen, weil sie nichts zu Unrecht getan haben.
Die berechtigte Frage ist jedoch, versteht Herr Schäuble, der nur ein Anwalt in nun sehr großen
Bankiers-Stiefeln ist… versteht Herr Schäuble eigentlich was Bailout-Geld ist, für das er einen
zyprischen Bail-in Haircut verlangt?
Geld ist einfach das, was der Staat von Zeit zu Zeit als Zahlungsmittel für die ordentliche Erfüllung
von Geldverpflichtungen befielt, schreibt John Maynard Keynes (1924) in seinem Buch „A Tract on
Monetary Reform“ (Eine Abhandlung zur Währungsreform). Und die 70 Milliarden Euro, die in
den ca. 130 zyprischen Banken und Sparkassen hinterlegt sind, sind ebend nur das: “Einlagen”, die
durch Buchhaltungseinträge geschaffen wurden, aber kein Geld ansich. Geld ist gesetzliches
Zahlungsmittel, entweder in Form von Bargeld oder Einlagen bei der Zentralbank, und dieses Geld
haben die zyprischen Banken nicht, oder nicht mehr, und in der Tat nie gehabt!
Die Bedingungen der angebotenen Europäischen Rettungsaktion vom 16. März 2013 zerstören die
Ansprüche der zyprischen Einleger gegen ihre Banken NCIHT. Sie verwandeln ledliglich einen Teil
der Geldforderungen (Haarschnitt) in Ansprüche als Aktionäre in Zeiten der Liquidation, ggfls. Mit
einem Stimmrecht ausgestattet. Im Rechnungswesen nennen wir diese Änderung eine
Verlangsamung der Laufzeiten auf der Passivseite der Banken; die Verringerung der kurzfristigen
Verbindlichkeiten bei gleichzeitiger Erhöhung der Eigenkapitalausstattung der Banken. Aber wie
diese Eigenkapitalserhöhung die finanziellen Positionen der Banken stärkt ist Herr Schäubles
eigene Erfindung, die vermutlich auf dem Missverständnis der Baseler Eigenkapitalvereinbarung
(Capital Adequacy Accord) basiert, denn nur liquide Mittel machen Banken zahlungsfähig um
Kundeneinlagen auszuzahlen, nicht eine Erhöhung von Kapitalpuffern um Verluste aus wertlosen
Vermögensgegenständen nach einem Vorgang der Bewertung zu absorbieren.
Hinter all dieser von Menschen gemachten Kompliziertheit durch Missverständnis des
grundlegenden Rechnungswesens bleibt die Tatsache, dass das Geld, zumindest in Form eines
gesetzlichen Zahlungsmittels, die zyprischen Banken nie hatten. Die Europäer, die Briten
eingeschlossen, sowie die Amerikaner, dieKanadier, und wo man in dieser Welt des Geldes auch
hinsieht, es ist überall das gleiche: gesetzliches Zahlungsmittel hat KEINE Bank (ausser vielleicht
in Höhe von fünf Prozent der Einlagen). Als Ergebnis gibt es praktisch auch keine gemeinsamen
Euro-Währung. Es gibt Deutsche Bank Euro, Commerzbank Euro, HSBC Deutschland Euro, BNP
Paribas Euro, Banco Santander Euro, Robobank Euro, etc., um nur einige der großen privaten
Geschäftsbanken in der Eurozone zu nennen. Sie werden im Clearing des täglichen
Zahlungsverkehrs mittels Verrechnung (offset) übertragen: Was in die Bank reinkommt wird durch
das, was rausgeht, kompensiert. Im vorliegenden Fall von Zyperns Banken kommt weniger rein als
raus will, und was somit fehlt um den Abfluss zu kompensieren. [Die EZB hielft soweit…]
Wenn das Parlament der Republik Zypern die Europäische Rettungsaktion akzeptiert, d.h. den
“haircut” auf zyprische Bankeinlagen in Eigenkapital verwandelt — und zwar in Höhe von
insgesamt rund 5,8 Milliarden Euro [was der Rechtsanwalt Schäuble fälschlich als Eigenleistung
betrachtet, die aber NICHT die Bankenliquidität und Solvenz um auch nur ein Jota erhöht — dann
stellen die Europäer 10 Milliarden Euro von ihrem Bankbuchgeld den zypriotischen Banken zur
Verfügung, damit der Geldtransfers solange weiterlaufen kann, bis diese 10 Milliarden Euro
aufgebraucht sind weil sie nur 14% der zyprischen Bankeinlagen von rund 70 Milliarden Euro
decken und somit in ein oder zwei Tagen verdampft sind; und zwar dann, wenn zyprische Einleger
ihre Einlagen aus Zypern in ein anderes Land der Eurozone schicken, oder wohin auch immer.
Durch den Beitritt zur Eurozone hat die Republik Zypern ihr angestammtes Recht auf
Geldschöpfung dem Eurosystems bei der Europäischen Zentralbank mit Sitz in Frankfurt
abgetreten. Die Zentralbank von Zypern ist ein Teil des Eurosystems ähnlich einer Niederlassung
der Bank in Frankfurt, genauso wie alle nationalen Zentralbanken der 17 Mitgliedsstaaten die die
Eurozone ausmachen, darunter die Deutsche Bundesbank, die Banque de France, De Nederlandsche
Bank, Banco de España, und so weiter.
Was die Republik Zypern NICHT abgetreten hat ist die Fähigkeit der Zentralbank, Bankkonten für
Einzahlungen und Abhebungen für die Menschen in Zypern und ihrer Unternehmen zu eröffnen
und zu verwalten.
Mit anderen Worten, es bleibt der Zentralbank von Zypern unbenommen, ihre Dienstleistungen
nicht nur privaten Geschäftsbanken anzubieten, sondern diese sogar auf die gesamte Wirtschaft der
Insel auzudehnen, Kundeneinlagen von Privatpersonen und Unternehmen anzunehmen und
gutzuschreiben, anstatt nur indirekt über die nun insolventen zyprischen privaten Geschäftsbanken.
(Inwieweit die vielen lokalen Sparkassen und Kreditgenossenschaften solvent oder zahlungsunfähig
sind, ist eine kleinere Sache .)
Alle Einlagen bei der EZB oder einer der nationalen Zentralbanken der Eurozone sind sog.
hochkarätiges Geld (“high-powered money”) mit dem Status des gesetzlichen Zahlungsmittels weil
diese Guthaben jederzeit als Bargeld abgehoben oder übertragen werden können, und zwar überall
hin ohne die viel befürchteten Kapitalverkehrskontrollen, die den Bankensektor krüppeln und die
Wirtschaft durch die effektive Schaffung einer neuen Art von eingeschränkten Euro — den Zypern-
Euro — nur schwächen.
Die grosse Frage bleibt, wie die Einlagen bei den insolventen Banken von Zypern an die
Zentralbank von Zypern übertragen werden können. Unter normalen Umständen können sie nur in
dem Umfang übernommen werden, in dem die privaten Geschäftsbanken bei der Zentralbank von
Zypern Guthaben unterhalten, und wenn nicht, dann nur, wenn die Zentralbank von Zypern der
Übertragung zustimmt, indem sie als substituierter Einleger bei den privaten Geschäftsbanken
auftritt. Die privaten Geschäftsbanken würden die Zentralbank von Zypern als Ersatzeinleger
(substituted depositor) in ihren Büchern erkennen … womit die privaten Geschäftsbanken die
Annahme von Kundeneinlagen einstellen würden.. Ergebnis: Liquidität von Kundeneinlagen
restauriert; europäische Rettungsaktion nicht mehr nötig.
Was wäre der Einwand der EZB in Frankfurt zu einer solchen aussgewöhnlichen Handlung der
Zentralbank von Zypern zwecks “Erhaltung des Euro mit allem was es braucht,” um die Wortes des
EZB-Präsidenten Mario Draghi zu verwenden. Es sollte keine Einwände geben unter der
Bedingung, dass die Geldmenge auf Zypern, als Ergebnis der Annahme der Kundeneinlagen bei der
zyprischen Zentralbank, nicht erhöht wird.. Da ehemaligen Einlagen bei den privaten zyprischen
Geschäftsbanken lägen nun bei der Zentralbank von Zypern und sind somit der Öffentlichkeit nicht
mehr zugänglich, also auch NICHT Teil der Geldmenge.
Der Mechanismus, um das Niveau der zur Zeit 70 Milliarden Euro Bankguthaben auf Zypern — der
Geldmenge der Inselnation — einzufrieren ist einfach, und zwar durch die Erhöhung der
Mindestreserven auf 100% der Kundeneinlagen bei den Banken und Sparkassen, die bei der
Zentralbank zu halten sind. Die 100%ige Mindestreserveanforderung würden jede private
Geschäftsbank von der Schöpfung von reinen Buchgeldeinlagen durch Kreditgewährung („the
creation of money through double-entry bookkeeping“), wie sie es zum Teil in der Vergangenheit
getan haben, abhalten.
In der Praxis könnten sämtliche Einlagen bei der Zentralbank an die privaten Geschäftsbanken
zurück überwiesen werden, z.B. zur Gutschrift auf ein Anlagekonto (jedoch nicht einem
Kontokorrent), wenn das Geld von den Geschäftsbanken als Finanzierungsvermittler auf Risiko des
Anlegers wieder ausgeliehen wird.
Alle Einlagen bei der Zentralbank könnten an die privaten Geschäftsbanken zurück überwiesen
werden, zur Gutschrift auf ein Kontokorrent unter Einhaltung des 100%igen Mindestreservesatz,
und ware somit vor den Risiken der Kreditvergabe und Investitionstätigkeit geschützt (“ring-
fenced”). Eine solche Trennung der Bankgeschäfte ist das Kernstück der Reformen, die derzeit in
Grossbrittannien auf Empfehlung der Unabhängigen Bankenkommission unter Sir John Vickers
vom September 2011 vorgenommen werden.
Die weiteren Einzelheiten meines Plans sind in meinem Büchlein nachzulesen: „Liquid Money —
The Final Thing. Federal Reserve and Central Bank Accounts for Everyone” (Liquides Geld — das
Endziel. Federal Reserve und Zentralbank-Konten für Jedermann).