Paul Schreyer 27.03.2013
Die vorläufige Stabilisierung der beschaulichen Steueroase im Mittelmeer offenbart die Schwachstelle im System: Sparer sind Gläubiger. Aber warum eigentlich?
Mit der Teilenteignung der Sparer auf Zypern wird enthüllt, was eigentlich für die breite Öffentlichkeit verborgen bleiben sollte: Die Sparer sind in Wahrheit Gläubiger. Dies ist allerdings kein zypriotischer Sonderweg, sondern langjährige globale Realität – auch hier in Deutschland.
Zu Recht wies das Handelsblatt in dieser Woche erneut auf diesen Zusammenhang hin:
Ja, so funktioniert unser Geldsystem. Wer am Zahlungsverkehr teilnehmen oder Geld ohne Kursschwankungsrisiko aufbewahren will, muss den Banken einen Kredit geben – ob er will oder nicht. Formal sind Halter von Bankguthaben Gläubiger der Banken, obwohl sie eigentlich der Bank kein Geld leihen wollen. Sie wollen nur ihre Zahlungsmittel sicher und liquide aufbewahren. Weil Spar- und Girokonteninhaber formal Gläubiger der Banken sind, ist es formal korrekt, dass bei dem Plan, die Einlagenkunden der zyprischen Banken per Sondersteuer zu schröpfen, von Gläubigerbeteiligung an der Bankenrettung geredet wurde.
Norbert Häring im “Handelsblatt” vom 25. März 2013
Was vielen Bürgern und auch Politikern neu sein dürfte, verweist auf einen im Grunde uralten Trick des Bankensektors. Es wird suggeriert, das Geld auf Spar- und Girokonten gehöre in jedem Fall den Einzahlern. Das Risiko des Totalverlustes bei einem Bankenkonkurs wird angeblich durch eine Einlagensicherung, sowie im Falle Deutschlands durch das persönliche Versprechen der Kanzlerin im Namen der Bundesregierung abgeschirmt. Dabei ist klar: Beim Kollaps einer großen Bank – oder gar mehrerer – greift kein Sicherungsfonds mehr, und auch die Regierung wäre vollkommen hilflos. Die Bürger würden schlicht enteignet.
Wie aber kann es eigentlich sein, dass gespartes Geld, das auf ein Konto eingezahlt wird, damit zugleich in die Bilanz der Bank übergeht? Warum ist die Bank nicht lediglich Verwalter des Geldes auf dem Konto, so wie es ja auch bei Aktien der Fall ist, die für den Käufer treuhänderisch in einem Depot verwahrt werden und damit keineswegs in die Bankbilanz übergehen?
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Der Grund für diesen höchst fragwürdigen Umstand rührt an den immer noch wenig verstandenen Kern unseres Finanzsystems – die Geldschöpfung der privaten Banken. Heutzutage ist alles Geld Kredit und wird daher im Wege der Kreditvergabe von den Banken geschöpft. Die umlaufende Geldmenge steigt beständig. Im Euroraum verdoppelte sie sich in den vergangenen zehn Jahren (Eine neue Geldordnung.
Das Spiel ist aus
Wer aber braucht all die Kredite? In Wahrheit fast niemand. Der Bedarf wird künstlich forciert, was zu Blasen wie der amerikanischen Hypothekenkrise führt, oder etwa dem Immobilienboom in Spanien mit riesigen leer stehenden Neubausiedlungen. Wozu dann die ständige Kreditexpansion? Der Grund ist simpel: Ohne einen stetigen Strom von neuem Geld können die kontinuierlich steigenden Zinsforderungen der Kapitalbesitzer nicht bedient werden.
Dieses System hat nun sein Endstadium erreicht, nicht nur in Europa, sondern global. Sind die Bürger individuell mit Krediten maximal verschuldet und brechen zudem ganze Staaten unter der Last der Schulden zusammen, ist das Spiel aus. Ohne Kreditnehmer keine neuen Kredite. Ohne Kredite keine wachsende Geldmenge und damit keine gesicherten Zinsen für die international angelegten Milliardenvermögen der oberen Zehntausend.
Die möglichen Auswege, dieses (absurde) Spiel zu verlängern, lauten: Enteignung der Bürger (Modell Zypern), Systemneustart per Inflation oder – Krieg. Nichts erzeugt so viel Nachfrage nach Kredit wie die totale Zerstörung.
Die Eurofinanzminister, die im Verbund mit EZB und IWF die Schuldenkrise managen, geraten derweil mit dem Zypern-Deal in schweres Fahrwasser. Je mehr der Öffentlichkeit klar wird, dass der gesamte normale Zahlungsverkehr vom Bankensektor in Geiselhaft genommen wird, um weiterhin per freier Kredit- und Geldschöpfung die globalen Finanzeliten auszahlen zu können – und sie am Ende dafür enteignet werden -, desto lauter wird der Ruf nach Alternativen werden.
Eine solche Alternative, das sogenannte Vollgeldsystem, das Girokonten von vornherein außerhalb der Bankbilanzen stellen und damit sichern würde, wird inzwischen sogar von einigen Ökonomen des IWF empfohlen.
Im Vollgeldsystem sind Geldschöpfung und Kreditvergabe zudem wieder voneinander getrennt, eine entscheidende Voraussetzung für dauerhaft stabiles Wirtschaften, ohne permanente kreditbefeuerte Blasenbildung. Banken würden Kredite, anders als heute, aus Spareinlagen vergeben. Und sie verlören das Recht zur eigenständigen Geldschöpfung – einem historischen Vorrecht der tatsächlichen Herrscher eines jeweiligen Landes. De facto ist ein Staat ohne öffentlich kontrollierte Geldschöpfung in seiner Entscheidungsgewalt so eingeschränkt, dass man ihn kaum als echte Demokratie betrachten kann.
Selbst der Chefkommentator der Financial Times erwägt in diesem Kontext inzwischen die Vorteile einer Vollgeldreform. Vor wenigen Wochen ließ er seine Leser zur Überraschung mancher wissen:
Die konventionelle Sichtweise, nach der Geld fast ausschließlich über das heutige System privater Kreditvergabe erzeugt werden soll, ist unmöglich zu rechtfertigen. Warum sollte vom Staat geschöpftes Geld vor allem dazu benutzt werden, das von den Banken geschöpfte Geld abzusichern, das zudem häufig ein Nebenprodukt unverantwortlicher Kreditvergabe ist? Warum ist es gut, den Privatbesitz zu stärken, nicht aber die öffentliche Infrastruktur? Ich kann keine moralische Berechtigung dafür erkennen, dass geschöpftes Geld nur privaten, nicht aber öffentlichen Ausgaben dienen sollte.
Wird das Sprachrohr der britischen Finanzindustrie jetzt sozialistisch? Wohl kaum. Eher erkennen Teile der Eliten langsam, dass die globale Schuldenkrise eine echte Endstation ist. So wie bisher, geht es schlicht nicht weiter – auch nicht für die Reichen.